Filmfestival:Familienbande

Lesezeit: 3 min

Für ihren Dokumentarfilm begleitete Manuela Bastian eine ungewöhnliche Vater-Sohn-Beziehung. "Papa Africa" musste strengen Vorgaben folgen und profitiert von der Nähe zu den Protagonisten

Von Armin Greune, Schondorf

Mit "Papa Africa" hat Manuela Bastian eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe bewältigt. Ihr Zweitjahresfilm für die Filmakademie Baden-Württemberg musste analog aufgenommen werden, die zehn 16 Millimeter-Filmrollen reichten exakt für zwei Stunden Drehzeit. "Und das, obwohl gerade ein Dokumentarfilm davon lebt, spontane Momente einzufangen", sagt Bastian. Mit ihrem Team hat sie eine 45-minütige Endfassung zusammengestellt, was einem Drehverhältnis von 1:2,66 entspricht - diese kinematografische Einheit kann bei Non-Fiction schon mal 1:100 erreichen. Längst werden daher fast alle Dokumentationen mittels digitaler Videoaufzeichnung hergestellt, schon aus Kostengründen. Zu Bastians Etat lässt sich beispielsweise sagen, dass die Zuschüsse der Gemeinderäte Schondorf und Utting mit zusammen 550 Euro nicht unerheblich zur Postproduktion beitrugen: So konnte "Papa Africa" zu Festivals eingereicht werden. Erstmals wird der Film nun am Freitag beim Fünfseen-Filmfestivals öffentlich zu sehen sein.

Die Dokumentation entstand in 14 Drehtagen im Herbst und Winter 2013/2014 ausschließlich am Ammersee. Gerade die strengen formalen, finanziellen und technischen Vorgaben verleihen dem Film eine besonders dichte Atmosphäre der Authentizität. Zudem kommt "Papa Africa" die Nähe der Filmemacherin zu ihren Protagonisten Harry und Ronnie Wildenstein zugute. Fünf Jahre lang hat Bastian nach dem Abitur nebenher in Wildensteins "Kuba" am Tresen gejobbt: Die Kultkneipe am Schondorfer Bahnhof "war unser aller Wohnzimmer, ansonsten gibt es hier ja nicht so viele Möglichkeiten", sagt sie. Bastian ist am Ammersee aufgewachsen und hat am Wochenende gerade ihren 28. Geburtstag in der Windacher Heimat gefeiert.

Ein Silvester-Feuerwerk und der Betrieb in der Schondorfer Kultkneipe "Kuba" gehören zu den vielen neuen Eindrücken des 12-jährige Ronnie Wildenstein. (Foto: Jan David Günther/oh)

Zumindest aus ihrer Sicht war es ein Glücksfall, dass Harry im November 2013 seinen Sohn Ronnie aus Afrika an den Ammersee holte. Für beide bedeutete dies einen totalen Umbruch ihrer Lebenslage: "Schon daraus hat sich sehr viel Spannung ergeben", sagt Bastian. Der Sohn hatte die ersten zwölf Lebensjahre mit drei älteren Halbbrüdern auf einer Farm in Zimbabwe verbracht, bis die Mutter starb. Und der Weltenbummler, Koch und Kneipier Harry Wildenstein, der seinen Sohn zweimal jährlich besuchte und in einem Bus wohnte, hat sich ein Haus gekauft, um der Minimalfamilie ein Heim bieten zu können.

Angesichts des knappen Budgets an Filmmaterial musste Bastian genau recherchieren, kalkulieren und gründlich vorplanen, um den Drehplan zu erstellen. "Harry und Ronnie haben aber auch sehr gut kooperiert", sagt die Filmemacherin. Zum ersten Mal begegnete sie Ronnie schon eine Woche nach der Einreise. Doch bevor sie und ihr Kameramann Jan David Günther mit den Dreharbeiten begannen, ließen sie sich zum Kennenlernen zwei Wochen Zeit, um das Vertrauen des Jungen zu gewinnen. Der reagiert im Film erstaunlich gelassen auf die ihm völlig neue Umwelt. Die Hausschlachtung eines liebevoll gehätschelten Schweins im Schondorfer Künstlerbiotop der Klokers etwa beeindruckt Ronnie weit weniger als manchen Einheimischen. Ronnie macht rasch Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache und findet in dörflichen Bräuchen Parallelen zu Afrika. Auch wenn sein Schicksal alles andere als repräsentativ für die gegenwärtige Immigration in Europa ist, sei Integration ein zentrales Thema von "Papa Africa", sagt Bastian. Und bislang laufe die Geschichte auf ein Happy End hinaus: Ronnie habe sich bestens am Ammersee eingelebt und besucht jährlich einmal seine Halbbrüder auf der Farm in Zimbabwe.

Beim anderen großen Filmprojekt, an dem die Regisseurin seit drei Jahren arbeitet, ist das Ende noch offen. Für "Where to, Miss?" begleitet sie eine Taxifahrerin, die in Indien versucht, "sich aus den Traditionen einer männerdominierten Gesellschaft zu lösen", sagt Bastian. Während der Drehs habe sich ergeben, dass drei Kapitel entstanden sind, die Arbeitsaufnahme, Heirat und die Geburt des Sohns ihrer Protagonistin wiedergeben. Im Oktober soll der Dokumentarfilm fertig sein, er ist ihre Abschlussarbeit für das dritte Studienjahr.

Mit einem in Indien gedrehten Frauenporträt hatte auch Bastians Laufbahn als Filmemacherin begonnen. Auf einer dreimonatigen Rucksackreise nach dem Abitur mit ihrer Schulfreundin Nora Wagner wurde ihr Interesse für den Subkontinent geweckt. Zwei Jahre später flogen beide Frauen erneut nach Indien, um eine Biografie der Bürger- und Frauenrechtlerin Sampat Pal aufzunehmen. Wagner, die inzwischen Ethnologie und moderne Indologie studierte, agierte in "Kampf in Pink" als Darstellerin und Übersetzerin. Bastian, die zunächst zwei Jahre Kunst studiert hatte, führte Regie und bewarb sich mit dem einstündigen Film bei Filmhochschulen. In München hatte sie keinen Erfolg, aber Ludwigsburg nahm sie auf. "Kampf in Pink" wurde beim Fünfseen-Filmfestival 2011 für den Horizonte-Preis nominiert. "Papa Africa" läuft diesmal außer Konkurrenz. Bei der Welturaufführung am 31. Juli, 19 Uhr, in Herrsching sind das Team und die Wildensteins anwesend.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: