Schondorf:Currywurst und Toleranz

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Hat mächtig viel Holz vor der Hütte: Kuba-Wirt Harry Wildenstein führt das Kultlokal am Schondorfer Bahnhof nun schon seit zehn Jahren. (Foto: Georgine Treybal)

Seit zehn Jahren führt Harry Wildenstein nun schon die Kneipe "Kultur am Bahnhof" in Schondorf. Das Lokal hat sich zu einem Treffpunkt für Menschen jeglichen Schlages entwickelt. Am Wochenende gibt es ein Fest

Von Anna Gleiser, Schondorf

"Sie lassen mich nicht zumachen", sagt Harry Wildenstein, wenn er auf den zehnten Geburtstag der Kneipe "Kultur am Bahnhof", kurz Kuba, angesprochen wird. Nicht, dass er in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren die Bar schließen wolle, aber irgendwann möchte er wieder zurück auf seine Farm nach Simbabwe. Und die Kuba in verantwortungsvolle Hände weitergeben.

Die Erfolgsgeschichte des Lokals am Schondorfer Bahnhof wäre beinahe schon beendet gewesen, bevor sie richtig angefangen hat. Ein Nachbar hatte es auf juristischem Weg geschafft, die Sperrstunde auf 21.30 Uhr reglementieren zu lassen. Doch Wildenstein und sein früherer Partner Mine Gruber ließen sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen und reichten ihrerseits Klage ein. Mit überraschend positivem Ausgang: Auf einmal durften sie die Terrasse unter der Woche bis 1 Uhr und am Wochenende sogar bis 3 Uhr früh offen halten. Sechseinhalb Jahre nach der Eröffnung stieg Gruber aus und eröffnete in Herrsching ein Pendant zur Kuba: den Kiosk Bayrische Brandung.

Die Kuba ist eine kleine Oase der Entschleunigung in einer immer spießiger werdenden Umgebung. Die Optik der Bar verbreitet Abenteuer- und Reiselust. So könnte sie auch in Thailand am Strand stehen, mit dem Charme der selbstgebauten Terrasse und dem zusammengewürfelten Mobiliar.

Jeder Schlag Mensch ist in der Kneipe anzutreffen. Die Gäste sind zwar nicht immer einer Meinung, schaffen aber dennoch einen respektvollen Austausch miteinander, sagt Wildenstein. Jeder ist willkommen, ob arm oder reich, jung oder alt, Zuagroaster oder Urbayer, Banker oder Althippie. Diskriminierung und Ressentiments haben in der Kuba nichts verloren. Sollte dennoch Intoleranz laut werden, sucht der Wirt das Gespräch: Als Gäste aus Waal im Ostallgäu mit rechtsextremen Äußerungen auffielen, saßen Wildenstein und vier Spezln bis 4 Uhr morgens mit ihnen zusammen und versuchten, Vorurteile durch Argumente abzubauen. Ob die Waaler überzeugt werden konnten, ist nicht bekannt, in die Kuba kamen sie jedenfalls nicht mehr. Aber auch sie wurden mit Respekt behandelt.

Das Prinzip des achtsamen Umgangs ist Wildenstein nicht nur mit Gästen wichtig, sondern auch innerhalb des Teams. Er beschreibt die Kuba als Gegenentwurf zur üblichen, schnelllebigen Gastronomie: flache Hierarchien, Respekt geprägt von Vertrauen und "praktizierter Demokratie". Er sagt aber auch, dass dieses System nur funktioniert, weil das Team eine kleine, eingeschworene Truppe sei. Wildensteins Philosophie der Toleranz und Weltoffenheit ist wohl auf sein bewegtes Leben zurückzuführen. Mit 15 Jahren hielt es ihn nicht mehr in Deutschland. Er machte sich auf den Weg nach Frankreich, Spanien, einmal quer durch Afrika, bis er schlussendlich in Simbabwe annähernd sesshaft wurde. Dort heiratete er, wurde Vater von vier Kindern und bewirtschaftete seine Farm.

Nachdem er die ersten Jahre nach Eröffnung der Kuba noch im Dreimonats-Rhythmus zwischen Ammersee und Simbabwe pendelte, wohnt er nun seit dreieinhalb Jahren mit seinem jüngsten Sohn Ronny in Utting. Für die am Wochenende anstehende Jubiläumsfeier ist davon auszugehen, dass die Kuba wieder einmal brechend voll sein wird. Das jährliche Kuba-Geburtstags-Straßenfest am 1. Mai ist für viele ein schon lange eingeplantes Event. Und dieses Jahr wird es noch eine etwas größere, zweitägige Party geben.

Für die nächsten zehn Jahre Kuba ist die Planung auch schon angelaufen. Harry Wildenstein hat sich ein neues Konzept für den Außenbereich überlegt: viel Holz, viel Glas, viel Licht und eine Feuerstelle. Allerdings will er zur Sicherheit zunächst einen neuen Zehn-Jahres-Pachtvertrag mit der Gemeinde aushandeln. Die Chancen scheinen also gut zu stehen für den Fortbestand dieses ganz besonderen Treffs.

Das Programm: Samstag, 29. April, 16 Uhr, poppige Musik mit "GrooVergnügen & Christoph Himmelfahrt". Von 22 Uhr an Afterparty mit DJ Poldi. Montag, 1. Mai, 14 bis 18 Uhr Reggae-Biergarten, 18 bis 22 Uhr "The Mountaintop" und von 22 Uhr an Afterparty mit Reggae und Ska. Am 1. Mai gibt es Bio-Jungschwein und -Lammkeulen vom Grill.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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