Rückzahlung von Tantiemen:"Total unlogisch"

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Der Weßlinger Anton G. Leitner, der wie andere Verlger die gezahlten Tantiemen an die VG-Wort zurückzahen muss. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Verleger wie der Weßlinger Anton G. Leitner müssen an die Verwertungsgesellschaft Wort die gezahlten Tantiemen zurückzahlen. Das ist die Folge eines Gerichtsurteils. Die Auswirkungen sind massiv

Interview von Wolfgang Prochaska, Weßling

Im kommenden Jahr feiert der Weßlinger Verleger, Schriftsteller und diesjähriger SZ-Kulturpreisträger, Anton G. Leitner, 55, ("Schnablgwax") das 25-jährige Bestehen seines Verlags. Seit der Bundesgerichtshof (BGH) aber entschieden hat, dass die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort, die für die Autoren und die Verlage die Tantiemen einzieht, ihre Ausschüttungen nicht mehr an die Verlage weiterleiten darf und von den Verlegern die schon geleisteten Vergütungen zurückverlangen, ist Leitners Vorfreude arg gedämpft. Die SZ sprach mit dem Weßlinger über die Folgen der BGH-Entscheidung, die Zukunft seines kleinen Verlags und über die VG Wort.

SZ: Herr Leitner, höchstrichterlich wurde entschieden, dass für Buchverlage das Leistungsschutzrecht nicht gilt. Hat Sie das überrascht?

Anton G. Leitner: Es ist unfassbar. Wenn wir ein Manuskript publizieren, dann kümmern wir uns um das Lektorat, die Grafik und die Pressearbeit. Wir erfinden Titel, redigieren und bearbeiten. Ich stehe als Verleger und Herausgeber mit meinem Namen für das fertige Produkt ein. Da steckt viel geistig-kreative Arbeit drin und ist für mich ein klares Indiz dafür, dass das Leistungsschutzrecht auch für Buchverlage gelten müsste. Jetzt wird so getan, als seien wir Seifensieder. Der Hintergrund ist wohl auch, dass Internetkonzerne und Hersteller von Druckern und Kopierern ein Interesse daran haben, dass die VG Wort insgesamt geschwächt wird. Dadurch sparen sie beispielsweise an Geräteabgaben.

Was können die Verleger tun? Kleine Verlage haben wahrscheinlich keine Lobby?

Die Politik ist jetzt gefragt. Sie müsste den Leistungsschutz für Buchverlage gesetzlich festlegen. Der Kläger, ein Rechtsanwalt und Fachautor, scheint mir nicht im Detail mit der Arbeit belletristischer Verlage vertraut zu sein, auch nicht mit deren geistiger Leistung, sonst wäre er vielleicht nicht mit dieser Vehemenz durch alle Instanzen gezogen. Denn wenn vor allem kleinere Verlage jetzt wegen der fehlenden Ausschüttungen sparen müssen oder zumachen, dann werden dies auch die Autoren spüren.

Die VG Wort und der Börsenverein haben reagiert und wollen den Verlagen mit einem Abtretungsmodell helfen. Die Autoren sollen einen Teil ihrer Ausschüttungen den Verlagen überlassen. Ein guter Vorschlag?

Das ist für meinen Verlag nicht praktikabel. Ich müsste alle Autoren anschreiben, die bei mir veröffentlicht haben, das sind sicherlich über 1000. Es ist ein Hilfskonstrukt, das für einen auf Lyrik spezialisierten Verlag wie meinen nicht funktioniert.

Haben Sie schon zurückgezahlt an die VG Wort?

Ich habe fast 2000 Euro überwiesen und mir die letzten Ausschüttungen nicht mehr auszahlen lassen. Es sind also schon mehrere tausend Euro, die mir fehlen. Ich möchte auch deshalb meine Autoren nicht anschreiben, weil ich das als unwürdig für beide Seiten empfinde. Das Geld für die Rückzahlung habe ich mir geliehen. So weit ist es schon.

Sie klingen sehr frustriert.

Ich bin verärgert. Denn es gibt einen großen Widerspruch: Wenn den Verlagen schon kein Leistungsschutzrecht zugebilligt wird, warum muss ich als Verleger für meine freien Mitarbeiter Abgaben an die Künstlersozialkasse zahlen? Das heißt doch: Diese Mitarbeiter leisten künstlerische und kreative Arbeit, nicht aber der Verlag nach der neuen Rechtsauffassung. Das ist total unlogisch und wäre sicherlich auch ein Klagegrund. Aber dann würde eine für die Künstler so wichtige Institution wie die Künstlersozialkasse zusammenbrechen, wenn wir Verleger nicht mehr einzahlen.

Das ist ein Punkt, der der Öffentlichkeit und wahrscheinlich auch den Autoren nicht bekannt ist. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, welche Lösung sinnvoll wäre?

Das ist schwierig. Ich habe den Eindruck, dass auch die VG Wort an der jetzigen Situation nicht ganz unschuldig ist. Ich hatte deshalb vor, Mitglied zu werden. Aber wie man mir gesagt hat, entscheidet der Vorstand in Abstimmung mit den Verwaltungsratsmitgliedern der zuständigen Berufsgruppe darüber. Das zeigt die bürokratische Schwerfälligkeit dort. Ich habe nun die Nachricht erhalten, dass ich nicht Mitglied werden kann, weil ich zu wenig Ausschüttungen erhielt. Ich gebe Ihnen noch ein zweites Beispiel für die teilweise nicht mehr nachvollziehbare Ausschüttungspraxis: Es gab vor geraumer Zeit eine Sonderausschüttung für Beiträge in Anthologien. Ich habe eine mehrseitige Liste eingereicht, während meine Mitarbeiterin gerade eine Handvoll Einträge hatte. Raten Sie mal, wer mehr Geld bekommen hat: Wir beide haben exakt dieselbe Summe erhalten. Da stimmt doch etwas nicht. Da sind dringend Reformen notwendig. Übrigens sind viele kleine Verlage auch wahrnehmungsberechtigt bei der VG Bild-Kunst und bei der Gema. Von Kollegen höre ich darüber ähnliches.

Welche Folgen hat das für Ihren Verlag? Ist er gefährdet?

Mein Ziel ist es immer, mindestens eine schwarze Null zu schreiben. Um dies zu erreichen, ist jeder Cent wichtig. Mir fehlen mehrere Tausend Euro von der VG Wort, jedes Jahr wird diese Summe größer werden, weil von dort nichts mehr kommt. Ich kann ja nicht meine Zeitschrift "Das Gedicht" in irgendwelche Fantasiehöhen verteuern und bin deshalb in großer Sorge. Mir fehlt auch die politische Unterstützung: Wir haben doch eine Bundeskulturbeauftragte! Was wir Kleinverleger leisten, ist reine Basiskultur. Wenn mich meine Eltern, meine Ehefrau und einige Freunde nicht unterstützen würden, könnte ich nicht mehr weitermachen.

Die Verwertungsgesellschaft Wort verwaltet die Tantiemen aus Zweitverwertungsrechten an Werken. Berechtigt sind Autoren und Übersetzer von schöngeistigen, dramatischen, journalistischen und wissenschaftlichen Texten, die der Autor an die VG Wort gemeldet hat. Die Verwertungsgesellschaft gibt es seit 1958.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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