Possenhofen:Sisis Lieblingsplatz

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Gut verborgen im Wald liegt der Kalvarienberg in Possenhofen. Der Zahn der Zeit hat deutlich an den überlebensgroßen Figuren genagt. (Foto: Arlet Ulfers)

Die meisten Seeanrainer kennen den Kalvarienberg in Feldafing. Die Kreuzigungsgruppe im benachbarten Possenhofen ist weit weniger bekannt und dennoch ein Kleinod. Jetzt wird sie renoviert

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Possenhofen

An schönen Tagen fahren hier die Autos Stoßstange an Stoßstange vorbei. Der Blick des Fahrers konzentriert sich dabei auf den Verkehr und die enge Haarnadelkurve im Pöckinger Ortsteil Possenhofen. Dass sich in unmittelbarer Nähe der ausgetretenen Tourismuspfade am Starnberger See eine stille Idylle befindet, ist nur wenigen bekannt: Der Kalvarienberg in Possenhofen. Er soll einer der Lieblingsplätze der Österreichischen Kaiserin Elisabeth gewesen sein. Wann immer sie Gelegenheit hatte, ritt sie zu der Kreuzigungsgruppe hinauf. Die Stelle war damals noch nicht bewaldet und bot eine wunderschöne Sicht über den See. Das Kunstwerk soll jetzt von der Eigentümerin, der Landeshauptstadt München, restauriert werden und wird abgebaut.

Etwas versteckt gegenüber der Einfahrt zur Jugendherberge Possenhofen windet sich ein steiler Pfad mit einem Kreuzweg aus den 1930-er Jahren hinauf in den Wald. Wer ihm folgt, kommt vorbei an einer Ölbergkapelle mit lebensgroßen Figuren von Jesus und einem tröstendem Engel und weiter zu einer jahrhundertealten Kreuzigungsgruppe.

Der Zahn der Zeit hat deutlich an den überlebensgroßen Figuren genagt. Die Farbe ist stellenweise abgeblättert und das Holz hat Sprünge. Auf dem Querbalken eines Kreuzes nisten Vögel. Dennoch können die Schäden dem Gesamtkunstwerk nichts anhaben, das in seiner Ausdruckskraft einen berührenden Anblick bietet. Das Kunstwerk soll im Jahr 1648 errichtet worden sein. Aber so genau weiß man es heute nicht mehr, denn Nachweise, wie etwa Rechnungen des Künstlers, fehlen. Nach der Geschichte, die nur lückenhaft überliefert ist, soll der damalige Schlossbesitzer, der Hofmarksherr von Possenhofen Hans Caspar Hörwarth, die Figurengruppe aus Dankbarkeit errichtet haben, dass er den 30-jährigen Krieg überlebt hatte. Der Pöckinger Gerhard Köstler, der seit Jahren Führungen und Vorträge über die Sehenswürdigkeiten rund um den Starnberger See hält und auch einen Film darüber gedreht hat, ist überzeugt davon, dass die Figurengruppe von dem Barockkünstler Balthasar Ableithner geschaffen wurde. Eines der bekanntesten Werke des Hofbildhauers von Kurfürst Ferdinand Maria sind beispielsweise die Evangelisten in der Münchener Theatinerkirche, von denen heute nur noch zwei erhalten sind. Nach Meinung Köstlers weist die Gestaltung der Evangelisten deutliche Parallelen zu den Figuren der Kreuzigungsgruppe auf. Ein Schreiben der Bischöflichen Finanzkammer des Bistums Augsburg könnte durchaus ein Beleg für Köstlers These sein. Die Fachleute der Diözese hatten auf Anfrage der Pöckinger Zukunftswerkstatt geantwortet, dass sie glauben, dass es 1648 eine kleinere Figurengruppe gab, die zwischen 1680 und 1700 durch die heutige ersetzt worden ist. Wegen der hochwertigen künstlerischen Qualität der Figuren im barocken Stil könnte Ableithner durchaus als Urheber in Frage kommen, heißt es in dem Schreiben. Der Kupferstich von Michael Wening aus dem Jahr 1701 verdeutlicht, dass der Kalvarienberg ursprünglich zur Schlossanlage Possenhofen gehörte. Nach Köstlers Meinung wäre es durchaus logisch, wenn Kurfürst Ferdinand Maria als damaliger Schlossherr seinem Hofbildhauer mit der Kreuzigungsgruppe beauftragt hätte.

Auch die 14 Kreuzweg-Stationen zum Kalvarienberg haben eine interessante Geschichte. Sie wurden von dem Hohenbrunner Maler Johannes Matthäus Koelz (1895 bis 1971) geschaffen. Koelz hat den Kreuzweg 1937 geschaffen, konnte an der Einweihung am 16. Oktober 1938 jedoch nicht mehr teilnehmen, weil er vor den Nazis fliehen musste, weil er sich offenbar geweigert hatte, Adolf Hitler in Uniform zu malen. Zum Glück hatte er dem zuständigen Vertreter der Gestapo im Ersten Weltkrieg das Leben gerettet. Aus Dankbarkeit gab ihm dieser einen Vorsprung von 48 Stunden. Koelz floh nach England. Einmal im Jahr zur Karwoche wird der Kreuzweg noch von den Possenhofener Gläubigen zur Andacht besucht.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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