Porträt:Informative Kunst

Lesezeit: 2 min

Kein Kringel ohne Bedeutung: der Maler Christian Hechtl in seinem Atelier in Machtlfing bei Andechs. (Foto: Arlet Ulfers)

Bauingenieur Christian Hechtl überträgt wissenschaftliche Erkenntnisse in abstrakte Bilder

Von Marcella Rau, Machtlfing

Seine Forschung über die inneren Schwingungen von Wassermolekülen half den Amerikanern dabei, den passenden Landeplatz auf dem Mond zu finden. Er war an der Erbauung des größten Erddamms der Welt beteiligt und entwickelte eine Methode zur chemiefreien Entkeimung des Trinkwassers. Das von ihm entwickelte, mit Sauerstoff versetzte "Hechtlwasser" ist seit zwei Jahrzehnten im Handel erhältlich. Und als würde das noch nicht ausreichen, sind seine Kunstwerke derzeit in Ausstellungen in Zürich, Zwickau und Porto Cervo auf Sardinien zu sehen. Sie tragen Namen wie "Informative Hydrodynamik im Wasser", "Kornverteilung der Hunzamineralien" oder "Entkeimung des Wassers im Wirbel".

Das eigentlich Erstaunliche daran: Glaubt man ihrem Schöpfer, dem Wirtschafts- und Bauingenieur Professor Christian Hechtl, beschreiben die Titel genau das, was auf den Bildern zu sehen ist. Auf den Laien mögen die farbenfrohen, abstrakten Malereien willkürlich wirken, doch, so versichert Hechtl, kein Strich, kein Kringel sei ohne Bedeutung. Das wird am deutlichsten, wenn man ihn bei der Arbeit beobachtet. Denn was auf teilweise meterhoher Leinwand funktioniert, geht ebenso gut mit ein paar bunten Filzstiften, Wachskreiden und einem Blatt Papier, wie der Künstler beweist. Seine Hand fliegt über das Blatt, er zeichnet Sauerstoff, Wasserstoff, Elektronen. Anschließend ein neues Bild: Photone. Erklärt wird die Informationsübertragung in der Quantenphysik.

Was bleibt ist etwas Ratlosigkeit und eine ebenso schwung- wie farbenfrohe, nun ja: Zeichnung. Genau so entstehe seine Kunst, erklärt der gebürtige Münchner. Zugleich sind diese Kunstwerke genuiner Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit. Denn die ersten Werke entstanden während der Vorlesungen, die er als Professor für Bodenmechanik und Bodenphysik an der Universität Princeton gehalten hat. Die Zeichnungen an der Tafel halfen seinen Studenten dabei, komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Mit der Zeit verselbstständigte sich die Malerei, die Werke wurden bunter, einfach "um etwas mehr Farbe in unsere tristen Umstände zu bringen", erinnert sich Hechtl.

Die Frage, ob er denn nun eher Wissenschaftler oder Maler sei, stellt sich demnach überhaupt nicht, denn Hechtl möchte seine Kunst auch als Wissenschaft verstanden wissen. Sie entsteht bis heute nicht nur im Atelier, sondern genauso in Vorlesungen oder Vorträgen. Aber genau das ist vielleicht der Haken: Kunst dürfe nicht banal sein, so die Meinung Hechtls, nur wo sie versucht, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, sei sie von Wert. Er selbst schätzt die Freiheit, die sich dem Künstler eröffnet. Die Freiheit, alles sagen zu dürfen. Doch ohne Erklärung dürften die Bilder des Andechser Künstlers für die allermeisten zunächst einmal stumm bleiben.

Wissenschaftliche Fakten lassen schließlich wenig Spielraum zur Interpretation, und selbst die schriftlichen Erläuterungen zu den Bildern sind für sich wohl eher schwer nachvollziehbar, ist es doch schon nicht ganz einfach zu folgen, wenn das Bild direkt vor den eigenen Augen entsteht. So richtig funktioniert die Verbindung von Wissenschaft und Kunst also nur, wenn man die Möglichkeit hat, bei der Entstehung des Bildes zuzusehen. Deshalb malt Hechtl auch gerne vor Publikum, so geschehen etwa vergangenes Jahr bei einer Ausstellung seiner Arbeiten im Buchheim Museum in Bernried. Doch er freue sich genauso, wenn sich jemand aus rein ästhetischer Sicht für seine Werke begeistern kann, ganz ohne die wissenschaftlichen Gesetze dahinter zu verstehen, versichert Hechtl.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: