Pöcking:Wurzeln im Wald

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Jozek Nowak lebt und arbeitet ausschließlich mit dem Werkstoff Holz. Und das hat Gründe, denn das Material ist lebendig, duftet und verbreitet Wärme.

Sylvia Böhm-Haimerl

Holz ist sinnlich, es ist lebendig, verbreitet Wärme und duftet. Holz wurde Jozek Nowak quasi in die Wiege gelegt, denn er wurde im Wald geboren. Seine Mutter hatte es bei seiner Geburt nicht mehr bis ins Krankenhaus geschafft. Im Wald liegen Nowaks Wurzeln und er kommt immer wieder darauf zurück - als Mensch und als Bildhauer. In seiner Heimat in Polen hat er ein Atelier mitten im Wald, sein Atelier am Schmalzhof in Pöcking liegt unter alten Bäumen. Seine Skulpturen stehen hier im Freien, Mahatma Gandhi, eine Madonna, Jugendliche in salopper Haltung und natürlich Sisi. Die österreichische Kaiserin war eine Auftragsarbeit. Eine überlebensgroße Bronzeskulptur steht jetzt am Bahnhof Possenhofen. Die Büste am Schmalzhof ist eine Arbeit für einen privaten Auftraggeber.

Der Bildhauer Jozek Nowak aus Pöcking bei der Arbeit. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

Hier direkt an der verkehrsreichen B2 zwischen Pöcking und Starnberg hat der international anerkannte Bildhauer, dessen Werke in Polen, China, Italien und Deutschland stehen, eine kleine Idylle geschaffen. Es riecht intensiv nach Wald und frischen Sägespänen. Jozek Nowak lebt und arbeitet ausschließlich mit dem Werkstoff Holz. "Ich nehme Holz, weil es mir nahe steht", sagt der Künstler. Meist fährt er in sein Heimatland Polen, um sich das Material für seine Arbeiten zu beschaffen. Zwanzig mächtige Stämme liegen zurzeit vor dem Atelier. Fast genauso viele halbfertige Skulpturen stehen unter den Bäumen. Nowak arbeitet grundsätzlich im Freien, bei jedem Wetter und immer an mehreren Objekten gleichzeitig. Das schärfe seinen Blick, sagt er. Wenn der Künstler einen der rund einen Meter dicken Baumstämme bearbeitet, teilt er ihn zunächst in drei Teile. Den Kern verwendet er nicht, weil der Stamm in der Mitte am stärksten arbeitet. Die Gefahr sei zu groß, dass die fertigen Skulptur später beim Trocknen Risse bekommt, erklärt der 51-Jährige. "Ich arbeite nicht gegen das Holz." Dann setzt er die Kettensäge an oder das Beil. Schnitzwerkzeuge sind in seinem Atelier nicht zu finden, das lehnt er ab.

Auch von Experimenten mit anderen Materialeien hält er nichts. Das sei etwas für unsichere Leute, sagt er. Nowak will zurück zu den Wurzeln und macht keine Abstriche. Sein einziges Zugeständnis: Jahrelang hat er ausschließlich Eiche verwendet, jetzt ist er auf Pappel umgestiegen. Der Nachteil von Holz ist die Haltbarkeit, es zerfällt nach etwa 30 Jahren. Deshalb werden seine Auftragsarbeiten für Denkmäler meist in Bronze gegossen.

Wenn Nowak mit einer Arbeit beginnt hat er die fertige Skulptur schon im Kopf. Dann setzt er die Kettensäge an, zielgenau und so schnell, dass die Spreißel nur so fliegen. Der Faltenwurf einer Hose oder eines Kleides wird herausgearbeitet und die Körperhaltung. Das Gesicht bearbeitet der Künstler mit dem Beil, schon nach wenigen sicheren Schlägen kann man die Mimik erkennen, Ruhe Gelassenheit, Trauer oder Freude. Nowak haucht der Statue Leben ein. "Ich versuche, die Seele eines Menschen zu vermitteln", sagt er. Dafür sei die erste Begegnung mit seinen Modellen entscheidend. Er beobachtet das lebende Modell in der gewohnten Umgebung, studiert seine Ausstrahlung, seine Haltung, seinen Charakter.

Modell stehen muss man für seine Arbeit indes nicht. Für die Feinheiten benutzt er Fotos als Vorlage. Wenn er Skulpturen von bereits verstorbenen Personen anfertigt, studiert er ihre Bilder. Nur der Zugang zur Seele der österreichischen Kaiserin Elisabeth sei ihm nicht leicht gefallen, räumt er ein. Das liege daran, dass alle Abbildungen von ihr nachbearbeitet und verschönert worden seien. "Ihre Bilder sind wie die einer Frau von heute nach einer Schönheitsoperation." Voller Leben indes sind die Skulpturen seiner Tochter. Von der heute 19-Jährigen hat er jedes Jahr zwei Skulpturen angefertigt, zuletzt hat er sie als Model dargestellt. Gott sei Dank gehöre ihr Wunsch, Model zu werden, der Vergangenheit an, meint er erleichtert.

An der heutigen Jugend interessiert ihn die Lockerheit. "Sie rebellieren nicht mehr, sie sind einfach da." Er hat ihre lässige Haltung in zahlreichen Skulpturen verewigt. Insgesamt will Nowak 50 Statuen von Jugendlichen schaffen und sie in einer eigenen Ausstellung zeigen.

© SZ vom 05.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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