Perlend, schabend oder dumpf:Die steinerne Nachtmusik

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Im Herrschinger Atelier Bierl führt Musiker Karl Michael Ranftl seine ungewöhnlichen Kieselklänge vor

Patrizia Steipe

Herrsching - Perlend, schabend, dumpf und dann wieder ganz hell tönt es durch das Atelier Bierl. Es sind Töne, die seltsam vertraut klingen, verankert in unserem Inneren, seit jeher bekannt. Töne, die Bilder und Geschichten im Kopf entstehen lassen: von klaren Gebirgsbächen, die Kieselsteine mit sich führen, von Steinen, die über Kieselstrände geworfen werden, vom Mahlen und Klopfen zweier Steine aufeinander - wie es wohl jeder schon gemacht hat.

Herrsching 'Kieselklang und Wortgesang' im Atelier Bierl von und mit Karl Mario Ranftl und Hans Schütz (Foto: STA)

Und jetzt die unerwartete Begegnung dieser Urklänge, drinnen statt draußen und inmitten eines geordnet auf Stühlen sitzenden Konzertpublikums. "Kieselklang" nennt der Landsberger Musiker und Musiktherapeut Karl Michael Ranftl seine Art des Musizierens auf Steinen. Umrahmt wurden die ungewöhnlichen Klänge von Hans Schütz aus Peiting, Hauptschullehrer und Grünen-Kreisrat. Er trug Gedichte vor und las aus seinem Buch "Nebelstochern - eine Kindheit am Lech."

"Steine sind weder tot noch stumm oder unansehnlich", stellte der Musiker zu Beginn fest. Während die Meisten das Rasseln der Kieselsäckchen und das rhythmisch-perkussive Aufeinanderschlagen von Steinen als einzige Art von Steinmusik kannten, hat Ranftl diese Bandbreite erweitert. Eine ganze Reihe unterschiedlicher Kiesel braucht er für seine Konzerte, darunter sein Lieblingsstein, "meine Stradivari" und den "Allegrostein", auf dem er Mozarts "Kleine Nachtmusik" zustande brachte. Zum Musizieren eigneten sich am besten die flachen Steine, so Ranftl. Wochenlang habe er an Isar, Lech und Ammer die naturbelassenen Steinstäbe gesammelt, mit denen er sein Lithofon (eine Art Steinxylofon) herstellte. Archaisch klang dieses schon in der Frühzeit der Menschheit bekannte Musikinstrument. Aber Ranftl entlockte dem Instrument sogar ein "Freude schöner Götterfunken". Auf einzelnen Steinen erzeugte Ranftl ebenfalls Melodien. Zwar hatten die Steine keinen großen Tonumfang, aber in dem er durch Fingerbewegungen die Handfläche, den Resonanzboden, vergrößerte oder verkleinerte, entstanden neue Töne.

"Kastagnettentechnik" nannte Ranftl diese Art des Spielens. Dann nutzte er die Steine wie eine Maultrommel. Hier wurden die Klänge durch die Größe der Mundhöhle und durch Atmung verändert. Um das Archaische dieser Musik zu unterstreichen, band Ranftl das Abbild einer Steinzeit-Venus-Miniatur auf ein Metronom ("Matronom"). Zum unbestechlich akkuraten Klopfen des Taktells gesellten sich die unterschiedlichen Steinklänge der auf dem Tisch ausgelegten Kieselvielfalt. "Steine führen uns zurück in die Kindheit", stellte Ranftl fest. Für Hans Schütz das Stichwort, um das Publikum mit auf seine Zeitreise ins Lechbruck der fünfziger und sechziger Jahre zu nehmen. Im Stil der Lausbubengeschichten berichtete er über Mutproben, Fechtkämpfe mit Kommunionskerzen und Begegnungen mit dem gefürchteten Dorfarzt. "Damals war der Lech noch unverbaut, ein Wildfluss", erzählte Schütz. In seinen Gedichten spiegelt sich die Sehnsucht nach der Natur wieder.

© SZ vom 07.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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