Musikanten am Ammersee:Die Nacht zum Tag gemacht

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Beim 24-Stunden-Musikantentreffen in Herrsching reisen die Teilnehmer bis aus Tirol und der Steiermark an. Einige spielen durch und finden erst gegen sechs Uhr morgens ins Bett. Und die Zuhörerer sind begeistert

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Herrsching

Marlies Müller und Elfriede Eberl sitzen mitten unter den Gästen im Seehof-Biergarten in Herrsching und spielen eine stimmungsvolle Melodie auf der Schwegelpfeife. Das Instrument gilt als Urform der Querflöte und ist heutzutage selten zu hören. Nicht nur die Biergartengäste sind begeistert, auch die Leute am Schiffsanlegesteg bleiben stehen, um zuzuhören.

"Früher wären wir reif für den Scheiterhaufen gewesen, wenn wir es gewagt hätten damit aufzutreten", meint Müller augenzwinkernd. Denn das Instrument sei im Mittelalter nur von Männern gespielt worden, etwa den Schweizer Soldaten. Dabei sei es verboten gewesen, mit der Schwegelpfeife in den Kampf zu ziehen. Die Gefahr, dass die Soldaten Heimweh bekommen und desertieren, wenn sie die Klänge ihrer "Pfiifa" hören, sei zu groß gewesen, sagt Müller.

Die beiden "Pfiifa-linge", wie sich die Musikerinnen aus München und Hochstadt nennen, sind erst am Samstag zum "24-Stunden-Musikantentreffen" gekommen, um sich am Nonstop-Hoagarten zu beteiligen. Seehof-Chef Peter Reichert, der selbst Trompete spielt, hatte seine Kollegen eingeladen und bereits zu Beginn des Langstrecken-Konzerts am Freitag waren rund etwa 50 Volksmusiker da. Sie kamen aus der Region von Augsburg bis Miesbach, von Dachau bis Landsberg, aus Tirol und der Steiermark. Bei dieser Veranstaltung stehe nicht die Unterhaltung der Gäste im Vordergrund, erklärt Reichert. "Es geht um das Zusammenkommen, wir kennen uns und wir schätzen uns."

Hier spielt tatsächlich jeder mit jedem, wenn der eine aufhört, fängt der nächste an. Der Wirt hat zum vierten Mal zu diesem Marathon eingeladen. Weil die "Ebrachtaler" gleichzeitig ihr 30-jähriges Bestehen feiern, hat er den Musikern ein Fünf-Gänge-Menü spendiert. Außerdem stellt Reichert Zimmer zur Verfügung, damit die Teilnehmer zwischendurch etwas schlafen können.

Auch der Kreisheimatpfleger und seine Frau mischen im Seehof mit

Die Blasmusiker der "Urner Musi" spielen ein letztes Mal auf, dann packen sie ihre Blasinstrumente ein. Die drei Studenten, die sich an der Münchner Uni kennenlernten, haben die ganze Nacht durchgespielt. Gegen 6.30 Uhr am Morgen sind sie zwar für ein paar Stunden ins Bett, aber "viel zu kurz", wie Simon Filser betont. Jetzt sind sie sichtlich müde. Ihren Platz nehmen Conny und Manfred Schulz aus Starnberg ein. Der Kreisheimatpfleger und seine Frau kommen gerade von einem Auftritt auf einer Goldenen Hochzeit und wollen noch "a bisserl" mitmischen. "Wir machen das für uns, wir spielen gerne miteinander", sagt Manfred Schulz. Zwei Frauen aus Herrsching stimmen mit Gerhard Syen aus Bad Aussee einen Jodler an. Sie haben sich vor ein paar Jahren bei einem Musikantentreffen im Seehof kennengelernt. Jetzt jodeln sie so stimmungsvoll, dass Manfred Schulz spontan zur Zither greift, um sie zu begleiten. Die Musik geht ans Gemüt. Die Gäste stellen ihre Unterhaltung ein und hören zu. Es wird ruhig im Biergarten, sogar die Passanten bleiben stehen. Schnell bildet sich eine Menschentraube um die Musiker, und am Ende gibt es tosenden Applaus.

Das Musikantentreffen funktioniere nur im Sommer im Freien, sagt Reichert, dem gerade dieses spontane Zusammenspiel gefällt. "Es kommen immer mehr Leute, hören zu und haben Spaß daran", sagt er, "und den Musikanten geht das Herz auf." Am Freitag hatten sich bis Mitternacht Zuhörer eingefunden, später waren die Musiker unter sich. Doch laut Reichert sind schon morgens gegen acht Uhr die ersten Gäste aus den umliegenden Hotels auf den Balkon gekommen, um die Musik zum Frühstück zu genießen. Der Seehof-Chef hat am Freitag gespielt und anschließend zwei Stunden geschlafen. Heute ist er nur Gastgeber. Als Musiker kann er nicht mitmachen, weil er seine Gesichtsmuskeln schont für einen Auftritt bei einem Trompetenkonzert am Montag in Palermo.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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