Lustiger Abend:Genialische Dilettanten

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Das Duo "Zärtlichkeiten mit Freunden" auf Monis Brettl in Gilching

Von Gerhard Summer, Gilching

Die vielleicht schönste Nummer an diesem langen und lustigen Abend ist das dubios avantgardistische Vorspiel zu Reinhard Meys bekanntestem Lied. Stefan Schramm, der sich Ines Fleiwa nennt, zirpt und schrammt auf seiner E-Gitarre herum, als wär's eine Sitar, während Christoph Walther alias Cordula Zwischenfisch "übers ganze Drumset geht, aber zeitgenössisch", und bald auf allem herumhämmert, was ihm oder ihr im Weg ist. Er steigt von der Bühne, klopft mit dem Schlagzeugstock am Boden herum, trommelt gegen ein Boxenstativ und gegen Tische, marschiert durch die Publikumsreihen in Monis Brettl in Gilching ("Angst?"), haut auf einen leeren Sitz ein ("nicht ausverkauft!"), schnappt sich einen Kasten Bier, öffnet ein paar Flaschen, verteilt sie an Zuschauer und trinkt eine aus, in einem Zug. Und dann fetzen die Zwei "Über den Wolken" runter, dass es rauscht.

Ist das komisch, wenn zwei verdammt spießige Tanzmucker grobmotorische Musikkarikaturen auf Chris de Burgh bis Spindoctors abliefern, übers Publikum herziehen, permanent Gilching verarschen und mit ein paar Anglizismen und generell falsch ausgesprochenen französischen Vokabeln Weltläufigkeit vortäuschen? Ja, schon. Die Burschen aus Riesa im Landkreis Meißen, die wunderbare Frauennamen haben, Billigperücken tragen und sich "Zärtlichkeiten mit Freunden" nennen, obwohl sie eher Grobheiten unter besten Feinden vorführen, haben es faustdick hinter den Ohren. Sie selbst behaupten, dass ihr Programm "Das Letzte aus den besten sechs Jahren" eine Art Resterampe sei, sie hätten beim Ausmisten eben lauter Sachen gefunden, die gar nicht mehr gehen. Was schon stimmt. Dabei unterlaufen Schramm und Walther mit ihrem irrwitzig subversivem Sammelsurium aber alle Erwartungen. Mal ist Walther der Magier Fred Aster, der wirklich gar nicht zaubern kann. Mal gibt er den Sumoringer Kai Ginseng, der die Gerhart-Hauptmann-Samuraischule in Okinawa absolviert hat und mit seiner scheinbar heliumgetränkten Kieksstimme den Gollum aus "Herr der Ringe" und Darth Vader nachspricht und dann möglichst dusselig einen noch dussligeren Porno synchronisiert. Mal behauptet er, ein Lied zum Thema demografischer Wandel komponiert zu haben, das dann aber nur aus einem Akkord und der Zeile "Jugendliche bleibt" besteht und drei Sekunden dauert. Und zwischen Kindergeburtstag, Selbstlob und purem Quatsch ("Die Dixielandstöcke sind aus Carbon." "Woher?") tauchen immer wieder Bildungsfetzen und überraschende Dinge auf: valentineske Sprüche wie "Es müsste viel mehr Musik gespielt werden, dann gäb's auch mehr Konzerte" und beißend scharfe politische Anmerkungen zu deutschen Waffenexporten, Rechtsextremen und Tierquälerei. Im Grunde redet nur Zwischenfisch, der Fiesling, der seinen Gitarristen und Sänger quält und niedermacht, um selber besser dazustehen. Fleiwa gibt den Dösbaddel, der treuherzig und überrascht schauen darf.

Das alles mag an Helge Schneider erinnern, an Otto und den Mutterwitz des pollundertragenden Olaf Schubert, zumal die Herren Cordula und Ines gerne sächseln. Tatsächlich aber ist dieses absurde Proberaumtheater zwischen Dilettantismus und fast schon genialen Fantastereien weder Zwischenfisch noch Fleisch und so eigen, dass alle Vergleiche schief sind. Rauschender Applaus.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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