Leutstetten:Einfach nie bauen

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Bei Reden über Fußball sollte kein Gedankengang mehr als fünf Silben haben: Christian Ude beim Auftritt in Leutstetten. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ex-OB Ude gibt augenzwinkernd Tipps aus seinem reichen Erfahrungsschatz mit Großprojekten

Von SYlvia Böhm-Haimerl, Leutstetten

Fällt ein Ex-Politiker, der jahrzehntelang einen dichten Terminkalender hatte, in ein tiefes schwarzes Loch, wenn er nicht mehr im Rampenlicht steht? Christian Ude jedenfalls nicht. Wie viele Amtskollegen im Ruhestand hält er Vorträge und fungiert als Berater. Und wie andere Ex-Politiker referiert auch der ehemalige Münchner Oberbürgermeister gerne über seinen reichen Erfahrungsschatz. Auf Einladung der Starnberger SPD unterhielt der Parteikollege die Besucher im vollen Theatersaal der Schlossgaststätte Leutstetten mit vielen kurzweiligen Geschichten aus seinem Politikerleben.

Eines dser Hauptthemen war dabei die Organisation von Großprojekten. Trotz der anstehenden Stadtratswahlen in Starnberg erwähnte Ude die Kommunalpolitik überhaupt nicht - bestenfalls konnte man indirekte Rückschlüsse auf das Thema ziehen, um das sich jeder Wahlkampf in der Kreisstadt dreht: den B2-Tunnel. Denn wie beim Transrapid, der zweiten S-Bahn-Stammstrecke oder der dritten Startbahn wird auch in Starnberg seit Jahrzehnten heftig gestritten, ohne dass etwas vorwärts geht.

Ude jedenfalls hat für die Münchner Großprojekte eine Formel gefunden, die immer funktioniert hat: "Man muss einfach nie bauen." Denn so wird der Zeitplan garantiert eingehalten und der Kostenrahmen um keinen Cent überschritten. Diesen Rat gibt Ude gerne weiter. Berliner und Hamburger jedenfalls würden nach ihren Erfahrungen mit Elbphilharmonie oder Flughafen vor Neid erblassen, dass sie nicht selbst auf diese Lösung nach Münchener Vorbild gekommen seien, erklärt der Ex-Bürgermeister.

Fest stand nach der Veranstaltung jedenfalls, dass Ude auch über kabarettistisches Talent verfügt: feinsinniger Humor und Selbstironie. Richtig ist auch, dass er ein Faible für lange Geschichten hat - etwa die, wie er zu seinem Beraterjob bei der Stadt Istanbul kam. Vor 45 Jahren tauchte er zusammen mit einem Journalistenkollegen in die Bergwelt der Ost-Türkei ein, um Wölfe in freier Wildbahn zu erleben. "Am Ende der Welt oder kurz dahinter" hatte er zwar keinen einzigen Wolf gesehen, aber viele Freundschaften geschlossen, beispielsweise mit einem Türken, der bei der Münchner Straßenreinigung arbeitete. Seither komme er jedes Jahr zu Weihnachten mit seiner Familie bei den Udes vorbei und bringe Geschenke. Der Sohn dieser Familie ist heute Bürgermeister von Istanbul und hat Ude als Berater verpflichtet.

Der zweite Teil der Veranstaltung drehte sich um das Dilemma des bekennenden Löwen-Fans, der regelmäßig zur Meisterfeier mit dem FC Bayern auf dem Rathausbalkonstehen musste. Der "einzige Triumph, den ein Löwen-Fan haben kann", nämlich die Aufstiegsfeier des TSV 1860, endete in den Neunzigerjahren übrigens mit einem Debakel: Ude hatte den kapitalen Fehler begangen und vor dem Meer in Blau den FC Bayern erwähnt. Die Folge seien empörte Buh-Rufe der 30 000 Löwenfans auf dem Marienplatz gewesen. Seither wisse er, dass bei Fußballreden kein Gedankengang mehr als fünf Silben haben dürfe: Mit großem komödiantischen Talent machte Ude die Probe aufs Exempel und führte einige prägnante Beispiele vor. Und die Zuhörer bogen sich vor Lachen.

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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