Leiter der Münsterkonzerte:Neue Wege unter dem Dießener Himmel

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Stephan Ronkov ist jetzt für die Münsterkonzerte verantwortlich und hat noch große Träume. Der 47-Jährige liebt die Vielseitigkeit und erfüllt als Organist und Chorleiter noch weitere Aufgaben

Von Astrid Becker, Dießen

Ein Mensch mit ganz normalem Beruf käme wohl kaum auf die Idee, sich in der "Musica sacra" nach einem neuen Job umzusehen. Aber ein Mechatroniker, ein IT-Systemadministrator oder gar ein Verkäufer für ökologisches Tierfutter würden dort auch nicht fündig werden. Ganz anders ist das allerdings bei Menschen wie Stephan Ronkov: Der 47-Jährige ist Diplom-Organist und Kirchenmusiker - und als solcher dank der Fachzeitschrift "Musica sacra" das neue kirchenmusikalische Gesicht in Dießen geworden.

Wenn man ihn selbst nach seiner neuen Aufgabe fragt, bekommt man mehrere Antworten. Denn Ronkovs Job teilt sich auf: Er ist Instrumentalist an der historischen Caspar König Orgel aus dem Jahr 1739, der Dirigent des Chores am Marienmünster, aber auch der neue künstlerischer Leiter der Konzertreihe "Dießener Münsterkonzerte". Und für Menschen wie ihn ist gerade diese Vielseitigkeit ein Geschenk: sie garantiert ihm ein festes Gehalt für den Lebensunterhalt, was bei Musikern nicht gerade selbstverständlich ist. Zuvor spielte Ronkov 15 Jahre lang in Waldkirch im Schwarzwald an der Orgel der Stiftskirche St. Margarethen und leitete dort Kirchen- und Kinderchor. Eine schöne Aufgabe in einer ebenso schönen Gegend. Vermutlich hätte es ihn von dort gar nicht weggetrieben, wenn sich nicht seine Frau Annette gewünscht hätte, irgendwann mal wieder in ihre Heimat Bayern zurückzukehren. Vielleicht auch nicht, wenn er im Schwarzwald nicht noch nebenbei als Musikerzieher, Klavier- und Orgellehrer dazuverdienen hätte müssen - was ihm allerdings großen Spaß gemacht habe, wie Ronkov betont.

Aber eine Stelle in Dießen: "Da musste ich mich einfach bewerben." Denn schon der Großvater seiner Frau Annette Ronkov-Rießner lebte und wirkte im Ort: Es handelt sich um den Kunstmaler Rudolf Schöller (1905-1986), dessen Haus das Paar und die beiden Kinder nun auch bewohnt. Ein Glücksfall also für die ganze Familie. Stephan Ronkov wuchs als Rumäniendeutscher in Temeswar auf und entdeckte bereits als Grundschüler seine Liebe zu Klavier und Orgel, später besuchte er ein Musikgymnasium. 1994 kam er nach Deutschland und studierte in Saarbrücken und Freiburg Orgel, Cembalo und Klavier. Parallel zum Studium begann er mit derer Arbeit in Waldkirch. Der 47-Jährige muss ein wenig grinsen, wenn er an diese Anfänge denkt: "Ich weiß noch gut, dass ich dachte, ich könnte an die Chormitglieder dort dieselben Ansprüche stellen wie an den Hochschulchor." Das sei natürlich ein Irrtum gewesen, sagt er, schließlich handele es sich ja nicht um Profis. Trotzdem: "Man kann aus jedem Chor einen sehr guten Chor machen - es kommt auf die Leitung an." Aber wohl auch auf die Anzahl der verfügbaren Stimmen, die mit der Zeit immer weniger geworden sind. 20 bis 25 Sänger sind es derzeit noch im Münsterchor, es verwundert nicht, dass Ronkov Chornachwuchs sucht: "Jeder, der Melodien nachsingen kann, ist willkommen. Alles andere lernt er dann schon bei uns."

Aber auch sonst warten auf ihn noch weitere schwierige Aufgaben. Denn sein Ziel ist es, wieder Bewegung in die Dießener Musikszene zu bringen - angesichts zunehmender Konkurrenz durch professionelle Veranstalter in der Gegend hat er sich damit viel vorgenommen. Erst vor knapp zwei Monaten beispielsweise ist es wieder passiert: Zwei Künstlerinnen sollten im Rahmen der Münsterkonzerte auftreten. Doch plötzlich musste sie absagen: Sie hatten noch einen anderen Vertrag für ein Konzert in der Nähe unterzeichnet und nicht bemerkt, dass dieser eine Gebietsschutzklausel beinhaltete. Das heißt: die junge Künstlerin darf nicht für andere Veranstalter in derselben Region auftreten. Sie musste also den Freunden der Dießener Münsterkonzerte, für die Ronkov nebenher arbeitet, eine Absage erteilen. Für einen gemeinnützigen Verein, der das kulturelle Leben in einer Gemeinde fördert, aber auch jungen Nachwuchskünstlern Auftrittmöglichkeiten geben will, ist so etwas besonders bitter. Doch Ronkov ist zuversichtlich, mit derart heiklen Punkten im neuen Job zurechtzukommen: "Das Wichtigste ist, viele Künstler persönlich zu kennen, und das tue ich zum Glück."

Der Münsterorganist wird zudem mit seinem Mut, neue Wege zu gehen für Aufmerksamkeit sorgen wird. Das eigene Repertoire reicht locker von Johann Sebastian Bach bis Max Reger. Ronkov hegt zum Beispiel aber auch eine tiefe Liebe zu ausgefalleneren Kammerensembles - was sich am Konzertprogramm zeigt, das nicht nur unter dem Dießener Himmel im Marienmünster, sondern auch im Traidtcasten und in St. Stephan stattfindet. Man denke zum Beispiel an das Duo modéré, das im März mit Saxofon und Akkordeon eine musikalische Reise vom Abendland über den Balkan bis zum Tango Argentino unternommen hat. Oder an die drei jungen Hornisten von "Lippentriller", die im Mai mit ihren Instrumenten kaum eine Stilrichtungen ausließen und das Publikum begeisterten. Oder an Christoph F. Benning, der am 3. Juli mit seiner Percussion Nr. 1 - vier Schlagwerker - außergewöhnliche Musik aus Klassik, Moderne und Jazz präsentierte. Daneben finden sich aber auch echte Klassiker wie Haydns Schöpfung beim Großen Herbstkonzert am 16. Oktober. Und Ronkov hat noch große Träume - etwa vom Oratorium Paulus von Felix Mendelssohn-Bartholdy, das er gern in Dießen aufführen würde. Doch dafür braucht es eine riesige Besetzung, über die Ronkov bisher nicht verfügen kann. Aber wer weiß: Was noch nicht ist, kann ja noch werden.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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