Krailling:Verlorene Idylle

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Anfang der siebziger Jahre muss Baldur Trinkl sein Würmbad schließen, weil der Fluss bakteriell belastet ist. Jetzt ist die Würm wieder sauber - und die Erinnerung weckt Begehrlichkeiten.

Von Carolin Fries, Krailling

Manch einer braucht nur die Augen zu schließen, dann sieht er wieder die Kinder im Wasser planschen, hört ihr aufgeregtes Kreischen, atmet die sonnenmilchgetränkte Luft: Wo sich einst die Kraillinger sowie die Münchner, die spätnachmittags mit dem Radl kamen, in der Würm erfrischten, ist jetzt alles still. Die mächtigen, alten Bäume haben zartgrün ausgetrieben, die großflächigen Wiesen breiten sich einladend entlang des Wassers aus. Nostalgisch geschwungene Treppen führen hinein ins Becken, um das man die Würm einst erweitert hat. Doch anstatt der ersten Sonnenanbeter tummeln sich lediglich zwei Gänse auf dem Gras, herrschaftliche Ruhe breitet sich in der parkähnlichen Anlage aus - und wie es aussieht, wird sich daran auf absehbare Zeit nichts ändern.

Wie verwunschen liegt es da, das ehemalige Würmbad. (Foto: Nila Thiel)

Die Gemeinde möge sich doch bemühen, dass das ehemalige Würmbad wieder in Betrieb geht, gab ein Kraillinger der Bürgermeisterin Christine Borst bei der diesjährigen Bürgerversammlung mit auf den Weg. Die sagt: "Ich fände es toll, wenn es wieder offen wäre." Borst selbst hat als Kind hier gebadet. "Nichts Großes, was kleines Feines" könne sie sich an diesem herrlichen Fleckchen schon vorstellen. Doch sie versteht auch Baldur Trinkl senior, der sagt: Die Zeit ist vorbei. Der 73-Jährige ist mit dem Bad groß geworden, das bereits die Großeltern führten. An der Kasse hat er seine spätere Frau kennengelernt, zusammen mit ihr und den drei Kindern das Bad weitergeführt.

In den Umkleidekabinen des ehemaligen Würmbads nisten längst Tiere. (Foto: Nila Thiel)

Wahrscheinlich würde dort heute noch gebadet, wäre nicht Anfang der 70er Jahre die neue Kläranlage in Starnberg in Betrieb gegangen, deren Abwasser in die Würm geleitet wurden. Die bakterielle Belastung ließ fortan keinen Badebetrieb mehr zu, "das kam von heute auf morgen", erinnert sich Trinkl. Auf Anweisung des Gesundheitsamts wurden sämtliche Bäder entlang der Würm, in Krailling, Gräfelfing und Obermenzing, geschlossen.

Erst knappe 30 Jahre später vereinbarten die Würmtal-Gemeinden mit dem Abwasserzweckverband eine Nachbehandlung des Zulaufwassers mit UV-Licht, an der sich die Kommunen auch finanziell beteiligten. Seither hat die Würm wieder Badewasserqualität, doch die Bäder blieben geschlossen - zu viel Wasser war all die Jahre die Würm hinuntergeflossen.

Den alten Sprungturm will sich Eigentümer Balthasar Trinkl als Denkmal erhalten. (Foto: Nila Thiel)

"Es ist alles in die Jahre gekommen", sagt Trinkl. Die hölzernen Umkleidekabinen stehen zwar noch da, hellblau gestrichen, doch das Holz ist morsch, drinnen nisten Vögel und anderes Getier im trockenen Laub. Das Gerüst des alten Sprungturms neigt sich gefährlich in die Würm. "Den will ich mir als Denkmal erhalten", sagt Trinkl, der ernsthaft über eine Restaurierung nachdenkt. Sein Elternhaus, das im Erdgeschoss ein Restaurant beherbergt hat, hat er an eine Kommunikationsagentur vermietet, daneben hat der Tennispark Krailling Halle und Plätze gepachtet. Trinkl wohnt nur ein Stück weit die Straße runter, er schaut aber nahezu jeden Tag im Würmbad nach dem Rechten. Um die Anlage kümmern sich zwei Hausmeister und auch die Sportler, die ein kleines Häuschen als Rezeption nutzen. Sie sind die einzigen, die sich hin und wieder mal in der Würm erfrischen nach einem hitzigen Match. "Da springt schon mal einer rein", sagt Pächter Markus Weißenbach. Er weiß um die einmalige Lage der Anlage, wo gibt es das schon: Tennisspielen direkt in der Natur. Auch Anette Mazanec, die mit 20 Mitarbeitern im ehemaligen Restaurantgebäude arbeitet, schätzt die Lage. "Ein toller Blick, unsere Kunden sind immer ganz begeistert."

Es hätte hier freilich längst schon ganz anders aussehen können. Nach dem Ende des Würmbads wollte Trinkl ein Spaßbad bauen, er selbst spricht von einem "Mini-Alpamare". Nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung zog er den Antrag damals zurück. Rückblickend ist er froh, dass daraus nichts wurde, "das wäre viel zu klein gewesen".

Ein paar Jahre später hatte Trinkl schließlich den Plan, hier ein Boardinghouse, also einen Beherbergungsbetrieb zu errichten. Das Wasserwirtschaftsamt war einverstanden. Die Gemeinde sollte im Rahmen der Bebauungsplanung das östliche Würmufer bekommen, um es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Doch wieder gab es Proteste, per Bürgerentscheid wurden die Pläne schließlich gestoppt. Der ehemalige Kraillinger Bürgermeister Dieter Hager sagt: Damals hätte es die Chance auf ein Stück Würm für alle gegeben. Doch die Mehrheit fürchtete vor allem den Verkehr.

Seit etwa 40 Jahren hat sich im Würmbad nichts mehr gerührt, "der Einzige, der da spazieren geht, bin ich", sagt Trinkl. Baden tun die Kraillinger im Berger Weiher, ein kleines Stück flussabwärts, die sogenannte Rialto-Brücke trennt die Areale. Manchmal stehen dort Kraillinger und blicken zum alten Würmbad rüber. Was mit diesem idyllischen Landstrich wohl einmal passieren wird? "Das bleibt, wie es ist", sagt Trinkl. Dieter Hager spricht von einem Stück Würmgeschichte, das hier geschrieben wurde und das er selbst nur aus Erzählungen kennt, er ist erst seit 1975 in Pentenried. "Alte Kraillinger schwärmen davon", weiß er. Auch Baldur Trinkl denkt gerne zurück. "Es ist ein Jammer, dass es damals nicht möglich war, den Würmzulauf so zu klären, dass der Fluss unbelastet blieb."

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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