Kabarett in Raisting:Sex und andere Kleinigkeiten

Lesezeit: 2 min

Ute Bronder und Barbara Weinzierl versprechen erotisches Kabarett - und bieten eine pornografische Lesung.

Patrizia Steipe

Den Vorwurf des Etikettenschwindels müssen sich Ute Bronder und Barbara Weinzierl gefallen lassen. Denn statt des versprochenen erotischen Kabaretts, das sie unter das Motto "Titten, Tresen, Temperamente" gestellt hatten, bekamen die Gäste des NBO-Cafés eine pornografische Lesung präsentiert. Oder wie könnte man sonst einen Abend beschreiben, bei dem die Vokabel Schwanz gepaart wird mit allen möglichen Verben, die den Akt oder andere Spielarten der fleischlichen Lust beschreiben, und Gedichte wie "Der Schwanz in meinem Mund" vorgetragen werden?

Lockenwickler können unglaublich sexy sein: Barbara Weinzierl (links) und Ute Bronder vor ihrer Lesung in Raisting. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Kurzum: So voyeuristisch mag man dann doch nicht durch das Schlüsselloch schauen, schon gar nicht in der Öffentlichkeit, auch wenn sich die Liebesakte beschrieben von Weltautoren zwischen zwei Buchdeckeln befinden.

Ein wenig fühlte man sich bei der Wahl der Texte denn auch an Pubertierende erinnert, die Bücher gierig mit dem Ziel durchblättern, auf nicht jugendfreie Stellen zu stoßen, die dann staunend und kichernd verschlungen werden. Zugegeben, die Präsentation war gelungen. Bronder und Weinzierl sind gute Sprecherinnen, haben Ausstrahlung und unterstrichen die Textstellen schauspielerisch durch szenische Darstellungen.

Vor allem Weinzierl mit ihren österreichischen Wurzeln bekam viele Lacher bei ihren mit Dialekt vorgetragenen amourösen Schilderungen. Auch die Autoren von Charles Bukowski, Zeruya Shalev über Guy de Maupassant bis zu Gisela Elsner und der Österreicherin Susanna Kubelka gehören sicher nicht in die Schmuddelecke. Aber es ist ein Unterschied, ob Sexszenen nur einen kleinen Teil eines hunderte Seiten dicken Romans ausmachen, oder wenn eine pikante Stelle nach der anderen vorgetragen werden. Schließlich, allzu viel verdirbt den Appetit. Und manchmal ist es einfach reizender, das menschliche Treiben ein wenig dezenter zu beschreiben.

Natürlich ist das Geschmackssache, und genau deswegen sollten Bronder und Weinzierl bei ihren Vorankündigungen genau so direkt sein wie bei den Texten. Ein "nicht jugendfrei" gehört beispielsweise auf die Werbeplakate. Schließlich gibt es eine deftige Kostprobe aus den Memoiren der Hure Josefine Mutzenbacher. Das 1906 erschienene Werk gilt als Meisterstück erotischer Literatur, wurde in den achtziger Jahren von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften sogar auf den Index gestellt.

Inhaltlich hat das vorgetragene Kapitel, ein erschlichener Liebesakt eines Pfarrers mit einer blutjungen Sünderin, zwar durchaus Aktualität. Doch die Sichtweise, die dem jungen Mädchen eine lolitahafte Triebhaftigkeit bescheinigt, gegen die sich der geile Pfarrer kaum wehren kann, so dass der klare Missbrauch mit menschlicher Schwäche verbrämt und das Opfer gar zum Täter stilisiert wird, hinterlässt einen schalen Beigeschmack.

Bronder und Weinzierl trugen auch selbst geschriebene Texte und Gedichte vor ("Oh Heinerle, oh Heinerle, du bist ein rechtes Schweinerle!"). Die Quintessenz: "Früher hat man uns verbrannt, jetzt sind wir weltweit anerkannt". Ein Gutes hatte der Abend trotz allem: Die Besucher konnten ihren Wortschatz der Sexualität noch um österreichische Vokabeln erweitern.

© SZ vom 18.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: