Interesse an Politik:Große Herausforderungen

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Im Gespräch: Nikolaus Neumaier, Vorsitzender des Freundeskreises Kloster Andechs, und SPD-Landeschefin Natascha Kohnen. (Foto: Nila Thiel)

Natascha Kohnen hat den Eindruck, Deutschland wacht auf. Die neue SPD-Landeschefin glaubt, dass sich vor allem die jungen Leute wieder der Politik zuwenden

Von Ute Pröttel, Andechs

Viel war die Rede von "den Jungen", die aktuell in die Politik drängen. Dabei zählt sich die frisch gewählte SPD-Landeschefin Natascha Kohnen mit ihren 49 Jahren selber nicht mehr zu den Jungen. "Ich bin die Älteste in unserem Präsidium", erzählt sie von ihren beiden Stellvertreterinnen - 29 und 30 Jahre alt. Kohnen war auf Einladung des Freundeskreises Kloster Andechs auf den Heiligen Berg zum politischen Gespräch gekommen.

Doch ihre Hauptadressaten fand die Ende Mai frisch gewählte Bayern-Chefin der SPD leider nicht vor. Der jüngste Zuhörer im historischen Nikolaussaal dürfte der Gilchinger Direktkandidat für die Bundestagswahl Christian Winkelmaier (SPD) gewesen sein. Ansonsten hatten sich einige SPD-Gemeinderäte und Ortsvorsitzende unter das Publikum gemischt und trugen zum regen Austausch bei. Da wurde auch mit Kritik an Angela Merkel und Martin Schulz nicht hinter dem Berg gehalten. Politiker seien zu tendenziös, hieß es, und sie hätten selber keine Antworten mehr auf die Probleme unserer Zeit.

"Wir müssen als Politiker überlegen, wie wir Politik erklären," sagte Kohnen, die für sich auf eine verständliche und präzise Sprache setzt. "Ich erzähle Politik am liebsten in Geschichten", fährt sie fort und meint relativ ehrlich: "Die großen Antworten hat niemand. Warum? Weil die Herausforderungen so groß sind, wie sie noch nie waren." Globalisierung und Klimaveränderungen stellen Politiker heute vor Probleme, die nicht aus einem Erfahrungsschatz heraus gelöst werden können, erklärt Kohnen, die seit 2008 im bayerischen Landtag sitzt. Die Beschimpfungsorgien die dort häufig stattfinden haben sicher auch Mitschuld daran, dass sich die Bürger immer weniger für Politik interessieren. Doch Kohnen hat den Eindruck: Deutschland wacht auf. "Vor allem die 20- bis 30-Jährigen wenden sich der Politik zu. Wir beobachten eine starken Anstieg der Onlinebeitritte", erzählt Kohnen. Sie sieht dafür zwei Auslöser: Den Brexit und die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten von Amerika. Die Parteien sind nun aber auch gefordert, die Jungen zum Zuge kommen zu lassen. "Wir müssen ihnen zuhören, ihnen Budgets zur Verfügung stellen und sie machen lassen." Entspannt in legerer blauer Bluse und heller Hose sitzt die studierte Biologin vor Kruzifix und zwei Heiligenbildern. Während des gut 90-minütigen Gesprächs, das Nikolaus Neumaier, der Vorsitzende des Freundeskreises leitet kommt neben der Politikerin auch gelegentlich die Wissenschaftlerin in ihr durch, wenn sie sich auf aktuelle Studien der Soziologin Jutta Allmendinger bezieht oder vom neusten Buch der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wieling "Politisches Framing", wie Sprache Politik beeinflusst, spricht. Das Thema des Abends lautete "Gegen den Wind - Was können demokratische Politiker in schwierigen Zeiten noch bewegen?" Natascha Kohnen hat das Zeug etwas zu bewegen.

© SZ vom 27.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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