Inning:Hinsetzen, Burschen!

Lesezeit: 2 min

Bluesmusiker Claus Angerbauer im Inninger Spectacel

Von Gerhard Summer, Inning

Was für eine Bluesstimme! Wenn Claus Angerbauer seine Ansagen macht, hört sich das noch ganz sanft und unauffällig an, jedenfalls nicht so, als hätte der Mann zum Frühstück seine Stimmbänder mit Whisky gespült und danach mit grobem Schleifpapier bearbeitet. Aber sobald er singt, fallen einem nach und nach alle Berühmtheiten ein, die man mit tief schwarzen, souligen Reibeisen-Stimmen so verbindet. Also Joe Cocker, Andreas Kümmert und Tom Waits. Manchmal schwingt bei Angerbauer auch ein Hauch von Harry Belafonte und Satchmo mit, und das Erstaunliche an seinem tiefen Gesang ist, dass er nicht nur kratzig klingt, sondern zugleich auch weich, erdig und leicht.

Kann bei einem Konzert etwas schiefgehen, wenn man so einen Frontmann dabei hat? Jedenfalls nicht viel, denn auch das Repertoire passt. Der blinde Sänger und Gitarrist aus Weßling und seine zwei Mitstreiter Christoph Zöller (E-Gitarre, Bass, Harp) und Christina Jesinghaus (Gesang) haben sich für ihr heftig beklatschtes Gastspiel im wohnzimmerähnlichen Saal der Inninger Bühne Spectacel etliche Klassiker und einige selten zu hörende Blues-, Gospel-, Country- und Bluesrock-Songs ausgesucht, ob von Norah Jones, Eric Clapton, ZZ Top, J.J. Cale, Ray Charles, Willie Dixon, John Mayer, Garry Moore oder den Eagles. In ihren Coverversionen bekommen ein paar Nummern etwas fast gemütlich Flottes ("Nobody knows you when you're down and out"), bei der Ballade "Desperado" ist Angerbauers Stimme vielleicht ein wenig zu viel des Guten. Aber ansonsten ist das ein überzeugendes, fein auf minimale Besetzung heruntergebrochenes Programm.

Christina Jesinghaus ist in einigen Duetten und Refrains eine geschickte Ergänzung, ihre Stimme markiert nämlich den absoluten Kontrast zu Angerbauer: lieblich, klar, sauber. Andererseits wünscht man sich bei Songs wie Charles' "Georgia on my mind" oder Claptons "Before you accuse me" dringend, dass nur Angerbauer ans Mikro dürfte, denn Jesinghaus singt da zu brav und zu gerade, ganz so, als gehe es um Musicalsongs. Christoph Zöller wiederum steuert ein paar Harp-Solos bei, spielt solide Bass, wenn auch ein paar Noten weniger nicht schaden könnten, und hebt immer wieder zu Gitarrensolos an, die meist eher ungelenk klingen. Das hat damit zu tun, dass bei seinem sehr trockenen Sound jede Unregelmäßigkeit im Anschlag und jede Ungenauigkeit zu hören ist. Das liegt aber auch daran, dass Zöller gelegentlich in den Skalen herumirrt und eher den Eindruck macht, auf der Suche nach den passenden Tönen zu sein.

Was übrigens einen guten Bluesmusiker ausmacht? Angerbauer findet: "Man sollte immer wieder auf die Fresse gefallen sein". Andererseits, stimmt es nicht auch, dass der wahre Gitarrist erst um vier aus dem Bett kriecht, um sich dann das erste Bier zu angeln und abzuwarten, ob sich Kreativität einstellt? Nein, sagt Zöller, um sieben, weil um acht die Geschäfte zumachen. Angerbauer hat noch mehr Sprüche und Geschichten ins gut besetzte Spectacel mitgebracht, er erzählt auch, was ihn Schüler fragen, wenn er in Klassen geht und über den Alltag eines Blinden spricht. Wie er es also schafft, auf dem Klo nicht daneben zu bieseln? "Hallo", sagt Angerbauer, "ganz einfach: hinsetzen". Und alle Frauen im Saal lachen.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: