Imagesuche:Verbindende Würm

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Während die Gemeinsamkeit im Landkreis Starnberg der Tourismus ist, stehen im Würmtal die Regional- und Wirtschaftsförderung und der Wohnungsbau im Vordergrund. Und natürlich der Fluss, der die fünf Kommunen vor den Toren der Landeshauptstadt durchzieht. Jetzt haben diese einen Markenprozess in Gang gesetzt. Eine Zukunftsaufgabe

Interview von Christiane Bracht, Krailling

Nicht nur eine schöne Gegend sein, sondern eine Marke werden - das hat sich der Landkreis Starnberg schon vor gut zwei Jahren vorgenommen. Jetzt will auch das Würmtal diesem Vorbild folgen. Aber warum? Das wollte die SZ von der Kraillinger Bürgermeisterin Christine Borst wissen.

SZ: Fühlen sich Krailling und Gauting nicht mehr als Teil des Fünfseenlands? Oder warum will man sich jetzt auf eigene Füße stellen?

Christine Borst: Wir würden nie auf unser Starnberger Autokennzeichen verzichten wollen. Aber wir fünf Würmtalgemeinden sind dichter zusammen und ähnlich strukturiert. Wir haben auch schon viele Gemeinsamkeiten: die Würmtalinsel und der Würmtaltisch im sozialen Bereich zum Beispiel, Zweckverbände für Schulen und Wasser, das Regionalwerk, die Volkshochschule und vieles mehr. Außerdem gibt es regelmäßige Bürgermeistertreffen, selbst die Geschäftsführenden Beamten und sogar die Sekretärinnen tauschen sich untereinander aus. Da tut man sich leichter, eine Marke zu bilden, als im Landkreis, wo es längst nicht so viele gemeinsame Projekte gibt. Mit Planegg und Gräfelfing haben wir einfach viel mehr zu tun, als mit Berg oder Feldafing.

Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen eine eigene Marke für das Würmtal zu entwerfen?

Ich. Mit meiner Firma habe ich schon früher immer mit Marketing und Werbung zu tun gehabt. 2014 habe ich auf der InnoSta die Agentur Brand Trust erlebt. Sie definieren Markenbegriffe, wie BMW mit ihrem "Freude am fahren". Jeder Neuwagen muss sich diesem Slogan unterwerfen. Das hat mich fasziniert. Auch die Fahrt mit der Starnberger Wirtschaftsfördergesellschaft Gfw nach Südtirol hat mich beeindruckt. Dort lebt man die Marke und jeder ist stolz auf das Land. Das schweißt zusammen. Und als es in Starnberg darum ging, eine Marke für den Landkreis zu erarbeiten, habe ich mitgemacht.

Durch die Würm sind die Kommunen schon lange eng verbunden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Aber warum wollen Sie jetzt dem Landkreis Konkurrenz machen mit anderen Partnern?

Es ist keine Konkurrenz. Der nächste Schritt wäre nun, das Ergebnis des Starnberger Markenbildungsprozesses in den Kommunen weiterzuführen. Ich weiß nicht, was meine Kollegen machen, aber das ist meine Art der Weiterentwicklung. So können wir unsere Andersartigkeit konkretisieren. Denn es geht ja darum, sich abzugrenzen.

Nicht jedem leuchtet der Sinn ein, aber in Starnberg kam nach gut zwei Jahren das Wort "wert-schätzend" mit Bindestrich heraus.

Es geht darum, die Werte, die wir haben, zu erkennen, wenn wir einen Moment innehalten. Und diese zu schätzen. Zum Beispiel die privilegierte Landschaft, in der wir leben. Zu erkennen, wie gut es uns geht. Diesem Wert muss sich alles unterordnen - egal ob es um Natur, Menschen oder den Umgang miteinander geht. Jedes Projekt soll einen positiven Beitrag in diese Richtung leisten. So soll es auch im Würmtal sein. Wir wollen bei den Gemeinderatssitzungen immer darauf achten, egal ob Bauprojekte oder Firmenansiedlungen geplant sind, dass sie zukunftsweisend sind und dass sie den örtlichen Charakter im Sinne unserer Werte fördern.

Ein Gewerbegebiet wie zum Beispiel die KIM. (Foto: Fuchs)

Es wirkt, als hätten die Würmtal-Bürgermeister mit einigen Vertretern der Wirtschaft die Markendebatte im stillen Kämmerlein geführt und nun präsentieren Sie das Ergebnis und alle sollen sich danach richten.

Nein, so ist es nicht. Es ist nichts beschlossen. Wir haben nur einen Vorschlag gemacht. Denn einen solchen Prozess kann man nicht mit 500 Leuten anfangen. Es ist ein schwieriges Thema und es ist nicht leicht, das Feuer dafür zu entfachen, deshalb haben wir uns in zwei Workshops schon einmal Gedanken gemacht, was am Würmtal besonders ist. Und da sind wir darauf gekommen, dass man hier sowohl gut leben als auch arbeiten kann, denn hier fühlen sich die Leute geborgen. Man kennt sich und spricht miteinander. Die Orte haben sich eben ihren dörflichen Charakter bewahrt, obwohl die Großstadt sehr nahe ist. Und man kann gut arbeiten, denn hier ist ein Technologiestandort, an dem sich viele hoch innovative Firmen niedergelassen haben. Eine Marke zu entwickeln, wird ein langer Weg sein. Das geht nicht von heute auf morgen. Das muss jeder einzelne in sich drin haben. Im September wird unser Vorschlag in den Gemeinderäten behandelt.

Was ist denn, wenn auch nur das Gremium einer einzigen Gemeinde ein Veto einlegt?

Dann wird es schwierig. Der Prozess ist auf Gemeinsamkeit angelegt.

Gibt es eigentlich schon kritische Stimmen?

Ich habe nichts Negatives gehört. Und aus allen fünf Gremien waren viele Vertreter da. Die Wirtschaftsförderer der fünf Kommunen, die auch die Gesamtorganisation übernommen haben, hatten im Kupferhaus einen blauen Teppich ausgerollt - keinen roten. Er sollte die Würm symbolisieren. Sie ist das, was uns verbindet, unser Lebensraum. Es gab eine außerordentlich lange Diskussionsrunde, alle waren interessiert. Aber vielleicht kommt die Kritik noch.

Kraillings Bürgermeisterin Christine Borst will mit einer Würmtal-Marke vor allem die Gewerbegebiete stärken. (Foto: Georgine Treybal)

Warum ist eine Würmtal-Marke überhaupt nötig? In Starnberg war der Hauptgrund der Tourismus, hier gibt es keinen.

Bei uns geht es mehr um Regional- und Wirtschaftsförderung, aber auch um Wohnungsbau. Wenn zum Beispiel ein Wechsel ansteht im Gewerbegebiet, hat man so vielleicht eine Einflussmöglichkeit. Es ist ja nicht so, dass wir hier nach Firmen suchen müssen. Es ist vielmehr so, dass wir auswählen können unter zehn Bewerbern oder mehr. Wir können schauen, wer am besten zu unseren Werten passt, speziell zu "erstklassig" und "geistreich", was unsere innovativen Firmen beschreiben soll.

Aber die meisten Grundstücke werden doch von einer Firma zur nächsten, also von privat an privat übergeben, ohne dass die Gemeinde mitreden kann.

Deshalb müssen wir zusammenarbeiten und schauen, dass wir die Vertreter der Wirtschaft mit ins Boot holen, damit sie auch die Würmtal-Marke leben. Beim zweiten Workshop waren schon Vertreter der Gewerbegebiete und von Gewerbeverbänden dabei, auch Wirtschaftsförderer. Wir müssen die Marke aber ins Bewusstsein aller bringen. Es soll ein Logo geben, das alle fünf Kommunen auf ihren Briefköpfen haben. Und wir wollen uns, Firmen gegenseitig vermitteln. Also wenn sich ein Unternehmen nach einem neuen Standort umschaut, weil es dort, wo es ist, keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr sieht, wollen wir versuchen, die Firma im Würmtal zu halten, bevor sie nach Pullach oder wo auch immer hin abwandert.

In Starnberg hat die Findung des Wortes "wert-schätzen" eine sechsstellige Summe verschlungen. Wie viel Geld haben die Würmtalgemeinden bis jetzt bezahlt? Und wie viel will man dafür ausgeben?

5000 Euro war der Anteil der Gemeinde Krailling. Aber das ist keine Frage des Geldes. Wir haben Werte dafür bekommen. Jetzt muss man versuchen, das zu leben. Aber es wird ein langer Weg sein und nicht von heut auf morgen gehen. Wir haben vor, eine Projektgruppe zu bilden, wenn möglich aus Ehrenamtlichen, wenn die Gemeinderäte sich entscheiden, den Markenbildungsprozess weiterzubegleiten. Vielleicht lassen wir uns noch ein wenig von Brand Trust begleiten. Es sollen jedenfalls keine großen Summen mehr ausgegeben werden. Der erste Prozess ist ja auch schon abgeschlossen.

Und das soll alles nur für die Wirtschaft sein?

Nicht nur. Mit "zukunftsweisendster Lebens- und Technologiestandort im Raum München" beschreiben wir eine Vision, wo wir bis 2040 hinwollen. Die Marke soll ins Bewusstsein aller gebracht werden, nicht nur von Wirtschaftsunternehmen. So haben wir in gemeinsamen Visionen 2040 im Bereich Kultur über ein Würmfestival nachgedacht, die Errichtung einer 24-Stunden Kindertagesstätte diskutiert, kostenlose E-Busse durch das Würmtal fahren lassen und eine sehr enge Taktung von S- und U-Bahn für die Zukunft gesehen. Wir könnten uns auch einen gemeinsamen Maschinenpark für die Bauhöfe vorstellen und dessen Wartung, nachdem wir auf so engem Raum zusammen sind. Und es soll einen gemeinsamen Marketing-Auftritt geben, der der Marke sozusagen ein Gesicht gibt.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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