Höhenrain:Fahrenheit 2192

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Ein Wachsmodell dient als Vorlage. (Foto: Georgine Treybal)

Zu den Kunden des Kunstgießers Marc-Andreas Hofmeister gehören Bildhauer genauso wie Museen und Restaurateure. Um Bronze zum Schmelzen zu bringen, muss der Ofen des Betriebs auf 1200 Grad Celsius aufgeheizt werden

Von Sabine Bader, Höhenrain

Genauso stellt man es sich vor: Die Bronze im Tiegel glüht leuchtend rot, sie ist mit 1200 Grad oder 2192 Fahrenheit bestialisch heiß. Eine Temperatur, die sich der Normalbürger nicht mehr vorstellen kann. Marc-Andreas Hofmeister natürlich schon. Er weiß, seine Arbeit ist nicht ungefährlich. Hofmeister ist gelernter Kunstgießer, er hat seinen Betrieb im Berger Ortsteil Höhenrain jetzt auf den Tag genau seit 25 Jahren, und jeder Gießvorgang ist auch heute für ihn noch spannend. Darum ist er immer dabei, wenn seine Mitarbeiter gießen, prüft, ob alles beachtet wurde und die Bestimmungen eingehalten sind. Sie besagen zum Beispiel, dass beim Gießen Helme, Gesichtsschutz, Lederhandschuhe, eine Schürze und Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen zu tragen sind. "Ja, die Anspannung ist immer da, wenn gegossen wird - egal, ob es sich um ein großes oder kleines Objekt handelt", sagt Hofmeister. Und er dürfte mit dieser Empfindung nicht allein sein. Wird der glühend heiße Tiegel aus dem Ofen geholt, überträgt sich die Konzentration der Akteure auf alle im Raum, und beim Gießen schwerer Objekte sind einige Leute vonnöten.

Sieben Angestellte hat Hofmeister mittlerweile, davon einen Auszubildenden. Der 48-Jährige bildet seit vielen Jahren aus. Und er tut dies gern. Nicht umsonst ist er im vergangenen Jahr in Berlin als bester Ausbildungsbetrieb Deutschlands ausgezeichnet worden. Er hat auch schon zwei Bundessieger unter seinen Azubis hervorgebracht, eine davon war im Jahr 2014 Josefine Lehner. Sie wurde 2015 zudem beste Kunstschmiedemeisterin Deutschlands und arbeitet noch immer bei Hofmeister. Dass er ein wenig stolz ist auf seinen Leute und auf das, was sie bewerkstelligen, merkt man.

Glühend heiß: Hofmeister beim Gießen flüssiger Bronze. (Foto: Georgine Treybal)

Und das Spektrum des Höhenrainer Unternehmens ist groß. Gefertigt wird für Künstler, Museen, Galerien, Restaurateure und für die öffentliche Hand, beispielsweise für die Schlösser- und Seenverwaltung. So hat Hofmeister die Bugwappen für die Schiffe auf dem Ammersee gegossen oder am Starnberger See den Galionsneptun am Bug des Katamarans "Starnberg". Aber auch für andere Betriebe fertigt er Beschläge und ähnliches.

Hofmeister ist über seinen Großvater zum Beruf gekommen. Der hatte eine Gießerei in Malching bei Moosach, fertigte hauptsächlich Buchstaben und Plaketten. Seine Arbeit faszinierte den Buben, wann immer er den Großvater mit seinen Eltern besuchte. Darum stand mit 17 für ihn auch fest: "Ich werde Kunstgießer." Damals war er ein Exot. Die meisten anderen seines Mittlerereife-Jahrgangs traten eine Bank- oder Versicherungslehre an. Hofmeister ging zur Kunstgießerei Mair am Münchner Gollierplatz. Drei Jahre lernte er dort. Fünf Gesellenjahre folgten. 1992 machte er den Meister.

Dass Hofmeister heute in Höhenrain fertigt und lebt - er wohnt dort mit seiner Lebensgefährtin und den drei gemeinsamen Kindern -, hat auch mit seinem Großvater zu tun. Dieser hatte das Grundstück in der Nähe des Sportplatzes bereits in den Sechzigerjahren erworben und darauf eine Gießerei errichten wollen. Doch daraus wurde nichts. Hofmeisters Vater erbte das Gelände und half dem Sohn beim Start. Er baute eine Garage, da hinein kam die Werkstatt. Der Betrieb wuchs. Es folgte ein zweites Gebäude mit Werkstatt- und Wohntrakt. Erst arbeitete Hofmeister allein, heute sind sie zu acht. Das Unternehmen vergrößerte sich in dem Maße, in dem auch die Aufträge stiegen. Gesundes Wachstum nennt man dies wohl.

Einer der Mitarbeiter klopft den Schamott ab. (Foto: Georgine Treybal)

Hofmeister sieht sich übrigens nicht im mindesten als Künstler, sondern als Handwerker, der Kunst fertigt. Überall in der Werkstatt stehen Bronzeskulpturen aus verschiedensten Ateliers. Da sind die dicken Vögel, die allesamt so aussehen, als hätten sie tagelang durchgefuttert, um nur ja keinen Hunger leiden zu müssen. Da sind dünne lange Plastiken und die kleinen Skulpturen des Ammerlander Künstlers Ernst Grünwald. Sie alle lassen bei Hofmeister gießen. Und eben dieses Gießen ist eine Wissenschaft für sich. Meist bringen die Künstler ein Modell aus Ton. Dann tritt Hofmeister in Aktion. Am Anfang steht ein beratendes Gespräch mit dem Künstler über die Machbarkeit seines Vorhabens, die Kosten und wann er die fertige Plastik braucht. Als erstes wird dann eine Negativform aus Silikon gefertigt. An Hand dieser Form baut Hofmeister ein Positiv aus Wachs, das identisch ist mit dem Tonmodell des Künstlers. Die Wachsvorlage wird in eine Schamottmasse aus zerstoßenen Ziegeln und Gips mit Wasser aufgerührt eingebaut und mit Guss- und Luftkanälen versehen. Nach einer Viertelstunde bindet die flüssige Masse ab, der Block ist hart.

Er kommt in einen 700 Grad heißen, mit Pellets beheizten Trockenofen, in dem er eine Woche steht. In dieser Zeit schmilzt das Wachs aus dem Block und verbrennt. Sobald der Schamottquader abgekühlt ist, kann mit dem eigentlichen Bronzeguss begonnen werden. Erwärmt werden die Bronzeblöcke in einem sogenannten Trommelofen. In den Ofen ist ein Graphittiegel eingelassen, in dem die Bronze zum Schmelzen gebracht wird. Die erforderliche Temperatur liegt bei stolzen 1200 Grad. Ist die Bronze rot glühend und flüssig, wird sie vorsichtig in den Trichter des Blocks gegossen. Geht alles glatt, füllt die Masse den Hohlraum völlig aus. Bei kleineren Skulpturen ist das Metall nach ungefähr zwei Stunden erstarrt. Um an die Bronzestatue zu gelangen, wird der Schamottbrocken zerschlagen. Die Brösel werden nicht weggeworfen, sonst hätte Hofmeister auch ziemlich viel Abfall. Sie werden durch eine Mühle gedreht, weiter zerkleinert und wiederverwendet. Mit einem Wasserstrahl wird die Rohplastik gereinigt. Die bronzenen Guss- und Luftkanäle werden entfernt und wieder eingeschmolzen. Ein Ziseleur patiniert, mattiert, poliert die Plastiken, je nach Wunsch des Künstlers.

Bronze besteht übrigens zu 90 Prozent aus Kupfer und zu zehn Prozent aus Zinn. Sie ist nicht das einzige Material, das Hofmeister verwendet. Er verarbeitet auch Messing, Silber und Aluminium. Im Einkauf kosten zehn Kilogramm Bronze derzeit 70 Euro. Der Kurs für die Bronze, Hofmeister verwendet sie zu 80 Prozent, ist gerade sehr günstig. Der Preis für den fertigen Bronzeguss ist dann davon abhängig, wie groß der Zeit- und Arbeitsaufwand für Hofmeister und seine Leute ist.

Seine Berufswahl hat der 48-Jährige übrigens nie bereut. "Meine Arbeit ist vielfältig, und man kommt mit kreativen Leuten zusammen", sagt er und macht sich wieder ans Werk.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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