Herrsching:Streiten wie die Großen

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Lukan, Ludwig, Florian, Nici, Pauline und Kir (von links) von der Herrschinger Realschule spielen Landtag - stilecht mit Landesfahne und Glocke, um gegebenenfalls Störer zur Ordnung rufen zu können. (Foto: Arlet Ulfers)

Beim Planspiel "Der Landtag sind wir" üben sich zwei zehnte Klassen aus Herrsching in Gesetzgebung - und schließen erfolgreich Kompromisse.

Von Ana Genz, Herrsching

In der Realschule Herrsching wimmelt es vor lauter Politikern. Allein schon achtzehn Landtagsabgeordnete von der CSU sind da. Auch Vertreter der SPD, der Freien Wähler und der Grünen sind anwesend. Es wird viel diskutiert. Heute dürfen die Schüler der 10a und der 10f beim Planspiel "Der Landtag sind wir" Gesetzgebungsprozesse simulieren. Lehrer und Notendruck werden für einen Tag aus den Klassenzimmern verbannt. Zu Beginn erhält jeder Schüler einen fiktiven Lebenslauf und gibt sich selbst einen Namen. Sie erfahren nun ihr Alter, was sie vorher beruflich gemacht haben und welcher Partei sie beigetreten sind. "Jetzt weiß ich endlich was mich nach meinem Abschluss erwartet", sagt ein Schüler und lacht. Er hat sich den Namen Horst Apfel geben und ist bereits 75 Jahre alt.

Organisiert wurde das Projekt vom Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) der Ludwig- Maximilians- Universität München und dem Bayerischen Landtag. "Ziel ist es, Interesse für Politik zu wecken", erklärt Simon Kirnberger vom Landtag. Er und drei Studenten betreuen heute das Rollenspiel. Die Idee dazu kam vom CAP im Jahr 2006. Seither können sich Schulen für das Planspiel bewerben.

Für alle Abgeordnete beginnt der Tag mit einer Fraktionssitzung. Dafür ziehen sich die Mitglieder in unterschiedliche Klassenzimmer zurück. Streitthema, wie in der echten Politik, ist die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen. An 250 kleinen Ortschaften in Bayern sollen Überwachungskameras installieren werden, das möchte zumindest die CSU. Die Grünen sind sich jedoch schnell einig, dass das ein unverantwortlicher Eingriff in die Privatsphäre der Bürger ist. Auch bei der SPD-Sitzung sind nur wenige begeisterte Gesichter zu sehen. "Wir können doch nicht in jedem Kuhkaff Kameras installieren", sagt Sophia Hausmann. Um neun Uhr treffen sich alle im Plenarsaal. Hier wird der Schüler Lukan Steipe, heute aktives Mitglied der CSU, zum Landtagspräsidenten gewählt. Ihm macht die Rolle Spaß, auch wenn er im realen Leben vielleicht eher den Grünen beigetreten wäre, denn sein Vater ist der Gilchinger Kreis- und Gemeinderat Peter Unger. Innerhalb des Planspiel hat er mit Videoüberwachung keine Bedenken: "Die meisten Bürger sind ja alle gut. Denen passiert ja dann auch nichts", sagt er zu den Schülern, die die Presse spielen. Die sind damit erst einmal zufrieden und stürzen sich auf andere Abgeordnete, um Fotos oder ein Interview zu bekommen. In den Ausschüssen diskutieren die Schüler, wie lang das Videomaterial aufgehoben werden soll. Die CSU plädiert für sechs Monate, die SPD fordert nur einen Monat. "Wer checkt denn länger als einen Monat nicht, dass er bestohlen wurde und fordert dann erst Beweismaterial?", fragt ein SPD-Abgeordneter empört. Das findet auch Frau Sommer von den Freien Wählern. Allerdings gibt sie bald verzweifelt auf: "Die CSU gewinnt doch sowieso immer". Am Ende verabschiedet der Landtag ein Gesetz, bei dem kleinere Orte Kameras beantragen können, Städte ab 80 000 Einwohnern sie sicher zugesprochen bekommen. Immerhin gibt es in puncto Datenspeicherung einen Kompromiss, diese sollen nur drei Monate gespeichert werden.

Zu diesem Zeitpunkt ist bereits die echte Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig (CSU) da. "Ich bin sehr beeindruckt und habe mich bei manchen Aussagen selbst im Plenarsaal gesehen", sagt sie. "Vor allem die Keilereien zwischen CSU und SPD kommen mir sehr bekannt vor." Eine Zehntklässlerin, die sich den Namen Frauke Stein gegeben hat, sagt: "Ich fand es richtig toll. Mal was anderes und nicht so trocken." Das Planspiel möglichst lebendig, aber auch realitätsnah zu halten, birgt Herausforderungen. So wird bereits an einem Modell mit AfD gearbeitet. "Das muss man mit den Schülern besonders angehen", sagt Simon Kirnberger.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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