Herrsching:Statische Meisterleistung

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Die Beamtenfachhochschule Herrsching wurde einst in der Nazizeit als Reichsfinanzschule erbaut. Hier werden Finanzbeamte ausgebildet. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Kongresshalle der Beamtenfachhochschule steht unter Denkmalschutz - wegen ihrer aufwendigen Konstruktion

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Schon von weitem ist der riesige Steinadler über dem Eingang der Kongresshalle der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege, der "Beamtenfachhochschule", zu erkennen. In seinen Fängen hält der Vogel einen Ehrenkranz. "Bei einem bestimmten Sonneneinfall kann man noch den Schatten des ursprünglichen Hakenkreuzes erkennen", sagt Schulleiter Wernher Braun. Nach dem Krieg ist das Nazi-Insigne natürlich abgeschlagen worden. Der Adler blieb. "Der ist nicht einfach aufgesetzt, sondern mit Zapfen in das Mauerwerk verankert worden".

Das grob gemauerte Bauwerk mit seiner repräsentativen Freitreppe und dem Säuleneingang stammt aus der Nazizeit. Es ist das Hauptgebäude auf dem zehn Hektar großen Areal. Die vielen über das Gelände verteilten Gebäude stammen aus verschiedenen Bauepochen. Unter Denkmalschutz stehen die aus den Dreißigerjahren. "Es gibt in Deutschland kein weiteres Ensemble aus dieser Zeit, das in diesem Umfang erhalten geblieben ist", erklärt Braun. Beim Tag des offenen Denkmals führte er die Besucher gemeinsam mit Daniel Günther vom Staatlichen Bauamt Weilheim durch die "Feierhalle". Diese war für diesen Tag für die Besucher geöffnet worden.

Die "Feierhalle" ist eigentlich ein Mehrzweckraum. Derzeit sieht man noch die Bestuhlung von den Prüfungen vor den Sommerferien. "200 Prüflinge können wir hier unterbringen", erklärt Braun. Ohne Stühle passen 1000 Besucher rein. Die Halle wird seit der Generalsanierung vor zwei Jahren auch wieder als Sporthalle genutzt. Außerdem feiert die Realschule Herrsching hier ihre Schulabschlussfeste. Für Günther passt der nüchterne Begriff "Mehrzweckhalle" überhaupt nicht zu dem Raum. Wenn er seinen Blick zur freitragenden Balkendecke in zehn Metern Höhe wendet, kommt er ins Schwärmen. "Die Holzdecke hat sakralen Charakter, wie eine Basilika", sagt er. Er kenne kein anderes Gebäude mit einem solchen Hängedachstuhl. "Der Raum wurde für die Decke gebaut, um sie zu zelebrieren", erklärte er den Besuchern beim Tag des offenen Denkmals. 23 Meter lang ist die Spannweite der tragenden Querbalken. Sie wurden aus einem Stück aus mächtigen Fichten aus Bayerisch Eisenstein gehauen. Die Längsbalken ziehen sich durch den ganzen Raum. Höher und tiefer liegende Hölzer wechseln einander ab. Damit das Ganze nicht einstürzt, haben die damaligen Statiker Eisenstangen, -bänder und -schrauben angebracht. Die statische Berechnung war eine Meisterleistung, das Ergebnis ebenfalls.

Es war übrigens die Idee des damaligen Staatssekretärs im Reichsfinanzministerium, Fritz Reinhardt, dass die Fachhochschule, damals hieß sie Reichssteuerschule, nach Herrsching kam. Reinhardt wohnte in Herrsching und machte seinen Einfluss geltend, um das Prestigeobjekt an seinen Heimatort zu bekommen. Baubeginn war 1935. Während der Nazizeit ist die Feierhalle aber nicht genutzt worden. Erst in den 50er Jahren wurde die Halle fertiggebaut und immer wieder saniert. Die letzte Maßnahme wurde erst vor zwei Jahren beendet. Damals musste die gesamte Halle für etwa 2,2 Millionen Euro saniert werden. Unter dem Dach hatten sich unbemerkte Feuchtstellen gebildet. Der Statiker ließ die Halle sofort sperren und mit Stahlstützen stabilisieren. Der historische Zustand wurde aber erhalten, er darf gar nicht geändert werden. Im Januar wird die Schule wohl wieder einmal umbenannt werden - laut Braun in "Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern".

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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