Herrsching:Nostalgische Zurückhaltung

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Das Duo Turban und Seidel-Hell spielt die drei Brahms-Sonaten

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Ingolf Turban begann seine Solistenkarriere mit den Münchner Philharmonikern unter Sergiu Celibidache in der damals frisch erbauten Philharmonie am Gasteig. Als er nun im ausverkauften großen Saal des Hauses der Bayerischen Landwirtschaft zum Kammerkonzert antrat, jährte sich dieses Datum auf den Tag genau zum 30. Mal. Sein Programm sei daher aus nostalgischen Gründen nicht so ungewöhnlich, wie man es von ihm gewohnt ist, verkündete Turban vorab.

Zum nostalgischen Plan gehörte auch die Pianistin Gabriele Seidel-Hell, die einst bis 1985 Turbans Kommilitonin an der Hochschule war und nun die drei Sonaten von Brahms im Duo mitbestritt. Und da Turban es sich nicht verkneifen kann, immer etwas Besonderes für seine Auftritte aus dem Hut zu zaubern, sollten drei verschiedene Instrumente den Charakter der einzelnen Werke optimal zum Ausdruck bringen. Für die sanfteste, innigste Sonate G-Dur op. 78 brachte Turban ein im Klang sehr warmes Instrument von Nicolas Lupot mit, der im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts in Paris seine Meistergeigen baute. Für die Liebessonate A-Dur op. 100 hielt Turban die Stradivari von 1721 bereit. Und für die brillanteste der drei Sonaten, d-Moll op. 108, sollte es der strahlende Klang einer 2009 von Martin Schleske gebauten Violine sein.

Wer Turbans Spiel kennt, stellte bald eine gewisse Zurückhaltung fest. Der sonst schwungvoll-opulente Ansatz des Geigers machte einem reduzierten Gestaltungsspektrum Platz. Brahms ist eben nicht Paganini. Sparsam sowohl im Vibrato als auch im Einsatz von Rubato bekam sein Spiel dadurch intimeren Charakter. In sich schlüssig blieben die Interpretationen dennoch, vermag es Turban doch, selbst die leisesten Emotionen überzeugend nach außen zu tragen. Das Schwelgerische in feinsten Frühlingstönen, die Brahms beim Komponieren der Regenlied-Sonate in G-Dur am Wörthersee genoss, profitierte davon. Und diese Lieblichkeit beflügelte auch die Lyrik im Kopfsatz-Allegro der A-Dur-Sonate. In derart empfindsamen und filigranen Momenten rückte das Duo enger zusammen, und Seidel-Hell fühlte sich in den stillen Momenten hörbar wohler. Das lyrische Fließen, wie es das Duo etwa mit weitem Atem im Adagio der ersten Sonate wie im späteren d-Moll-Werk in aller Ruhe ausspielte, entwickelte Wirkung.

Doch die Leidenschaft mutete ausgebremst an. Auch in den klangsatten Steigerungen und Verdichtungen zündete das Feuer nicht so recht. Als allzu unterschiedlich erwiesen sich die zwei musikalischen Charaktere, um wirklich große Momente herausarbeiten zu können. Wo das Duo gut zusammenfand, fanden sich aber überzeugend viele feinsinnige Nuancen des Klangkolorits. Begeisterter Applaus und Schumanns zweiter Satz der a-Moll-Sonate in der Zugabe.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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