Herrsching:Friede, Freude, Festlichkeit

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Idealbesetzung: die Sänger des Projektchors und die Instrumentalisten des Ensembles Lodron beim Konzert in der Herrschinger Kirche St. Nikolaus. (Foto: Arlet Ulfers)

Kirchenmusiker Anton Ludwig Pfell gibt Bachs Weihnachtsoratorium zusammen mit dem Ensemble Lodron, einem neuen Projektchor und ausgezeichneten Solisten in beherzter Fassung

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Er ging beherzt und befreit zu Werke, so hatte man Anton Ludwig Pfell schon lange nicht mehr erlebt. Seitdem der einstige Andechser Kirchenmusiker den Heiligen Berg verließ und im Unruhestand den Dienst in der St. Nikolaus-Kirche in Herrsching übernommen hat, ist offenbar viel Gutes passiert. Jedenfalls ist es Pfell gelungen, mit Choristen der Pfarreiengemeinschaft Ammersee Ost einen veritablen Projektchor auf die Beine zu stellen, der in kurzer Zeit nicht nur einen Eigenklang entwickelt hat, sondern auch einhellig und diszipliniert feinsinnig zu differenzieren versteht. So konnte Pfell mit Elan vor vollem Haus nur ein Jahr nach seiner letzten Aufführung im Andechser Florian-Stadl nun in Herrsching erneut mit Bachs Weihnachtsoratorium begeistern. An seiner Seite: das Ensemble Lodron München, das schon seit einigen Jahren Pfells Stammorchester ist, was reibungslose Verständigung mit sich bringt.

Der freudige Zugriff auf die ersten drei Kantaten des Weihnachtsoratoriums wirkte sich auf die Klangfarbigkeit der Interpretation deutlich aus. Und dies nicht nur in den Eingangschören "Jauchzet, frohlocket!" und "Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen", die ja ohnehin darauf angelegt sind. Gerade in den Chorälen strahlten die Lobpreisungen wie etwa "Ehre sei Gott in der Höhe" oder "Wir singen dir in deinem Heer" voller Energie und hymnischer Festlichkeit. Aber auch den in breiter Feierlichkeit fließenden Chorälen wie "Wie soll ich dich empfangen", "Schaut hin, dort liegt im finstern Stall" oder "Ich will dich mit Fleiß bewahren" tat der unterlegte Frohsinn gut. Die freudige Weihnachtsbotschaft spross so aus jedem Ton heraus, changierte mal zur zärtlichen Innigkeit mal zum jubilierenden Hochgefühl hin.

Für die Evangelistenrolle hatte Pfell den Tenor Kevin Conners eingeladen. Denn Conners versteht es, in den ausgedehnten Rezitativen straff und fesselnd zu erzählen, zugleich aber auch sehr musikalisch zu formen, was in seiner einzigen Arie "Frohe Hirten, eilt, ach eilet" natürlich am deutlichsten zur Geltung kam. Aber auch die beiden solistischen Hauptstimmen besetzte Pfell mit renommierten Opernsänger, die reichlich Oratorienpraxis haben. Einmal mehr begeisterte Rita Kapfhammer mit ihrem warmen, fülligen Alt in klarer Diktion. Ihre breit angelegten Engagements vor allem mit Konzert- und Opernliteratur sorgten mit den Jahren dafür, dass nicht nur ihre Stimme groß, sondern ihre Gesangstechnik auch sehr flexibel und anpassungsfähig ist. Die Arie "Bereite dich, Zion, mit zärtlichen Trieben" setzte denn auch sogleich einen wunderbar melancholischen Akzent. Berührende Lyrik und beherzter Zugriff zeichneten "Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh" aus. Bariton Torsten Frisch singt ebenfalls auf diesem hohen Niveau. Er konnte seinen Bass-Part warm und substanzvoll, aber zugleich auch schmal und schlicht gestalten. Und in der Arie "Großer Herr und starker König" steckte viel Kraft, die Frisch gänzlich ungravitätisch zu rhythmisieren verstand. In wunderbarer Balance erklang das einzige Duett "Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen", in dem die Nachwuchssopranistin Katharina Burkhart ihr schönes Timbre einfühlsam über den warmen Bariton legte.

Die Schönheit der Arien hängt bei Bach im Weihnachtsoratorium stark vom instrumentalen Partner ab, stellte er doch dem solistischen Ariengesang stets auch Duopartner im Orchester an die Seite: Oboen d'amore, Flöten, Violine. Darin - und auch im absolut zuverlässigen Continuo - zeigten die Instrumentalisten des Ensembles Lodron nicht nur Routine, sondern auch große Einfühlsamkeit im Eingehen auf den Gesangspart. Und das trug stark zur Geschlossenheit der Interpretation bei, auf die Pfell zusätzlich mit einem straffen Ablauf hinarbeitete. Ein wichtiger musikalischer Aspekt, führen doch allzu lange Unterbrechungen dazu, dass sich Sinnzusammenhänge verflüchtigen. So spannte Pfell hier im energischen und anfeuernden Dirigat einen soliden Spannungsbogen, der im nahezu euphorischen Schlusschor "Herrscher des Himmels" kulminierte. Lang anhaltender Applaus von einem sichtlich beglückten Publikum.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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