Herrsching:Digital in die Zukunft

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Das Breitwand-Kino bleibt Herrsching erhalten: Matthias Helwig hat 100 000 Euro in die Projektionstechnik investiert. Im Foyer führt nun seine frühere Lebensgefährtin Gülay Gündogdu einen Café- und Barbetrieb

Armin Greune

Die Cineasten können aufatmen: Breitwand-Chef Matthias Helwig wird entgegen seiner ursprünglichen Absicht das Herrschinger Kino weiter betreiben. Statt die unter chronischem Besuchermangel leidende Filiale aufzugeben, hat der vielfach ausgezeichnete Kinobetreiber und Leiter des Fünfseen-Filmfestivals (FSFF) sogar noch einmal in neue Projektionstechnik und die Ausstattung investiert. Nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung ist Gülay Gündogdu: Die Herrschingerin wird die Bewirtung in der Lounge übernehmen und konnte ihren früheren Lebenspartner Helwig davon überzeugen, einen Mietvertrag für weitere fünf Jahre zu unterzeichnen. Sie selbst schloss für den gleichen Zeitraum einen Unterpachtvertrag ab und will im Foyer einen täglichen Café- und Barbetrieb von 10 Uhr morgens bis Vorstellungsende führen.

Früher Lebensabschnitts- und nun Geschäftspartner: Breitwand-Chef Matthias Helwig und Gülay Gündogdu wollen das modernisierte Herrschinger Kino mit neuem Leben erfüllen. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

"Jetzt hoffen wir alle, dass die Zuschauer das kulturelle Angebot auch wahrnehmen", sagte Helwig auf der Eröffnungsparty am vergangenen Wochenende. Bislang wurden im Breitwand Herrsching im Mittel nur 1500 Besucher im Monat gezählt, während Seefeld und Starnberg zusammen monatlich 8500 anziehen. Der Kinobetreiber hat rund 100 000 Euro in die Vorführtechnik und den Umbau des Saals investiert: Statt bisher 99 stehen nur noch 80 Sitzplätze zur Verfügung. Die aber sind nun auf drei Podesten angeordnet, damit auch die hinteren Reihen ungehinderten Blick auf die Leinwand haben. Der Löwenanteil des Gelds floss freilich in die digitale Bild-und Tonwiedergabetechnik, die nun den alten 35-Millimeter-Projektor ablöst.

Für die Gestaltung der Lounge ist Gündogdu verantwortlich. Der Umbau ist noch nicht ganz abgeschlossen, die Einrichtung soll aber bis zum Auftakt des FSFF am kommenden Mittwoch fertig sein. Neue Stühle sind beschafft, die Zahl der Sitzplätze bleibt mit 15 unverändert und Raucher finden auf der Treppe vor der Tür eine Wartebank mit Sonnenschirm vor. Ein kleines, aber sorgsam ausgesuchtes Angebot an Textilien wird demnächst in den Regalen der Lounge zu finden sein.

Vor allem aber plant die neue Pächterin, die gastronomische Palette des Kinos deutlich zu erweitern: Neben alkoholfreien Getränken, Bier und Wein werden auch Longdrinks und Cocktails angeboten. Den Kuchen bezieht Gündogdu vom Café am See in Weßling, der Kaffee stammt aus Sumatra, der Exporteur unterstützt dort eine Hilfsstation für Orang-Utans. Außerdem wird die 43-Jährige mediterrane Vorspeisenteller und zu Film-Themenabenden Spezialitäten aus dem jeweiligen Land servieren. Langfristig will sie vegane Kuchen und Speisen anbieten: "Weil ich schon immer die Welt retten wollte", sagt Gündoglu und lacht.

Trotz ihrer türkischen Herkunft ist die Mutter von vier Kindern im Alter von acht bis 24 Jahren alteingesessene Herrschingerin: Sie kam mit zweieinhalb Jahren an den Ammersee und ist "dann nie wieder gegangen". Kindheit und Jugend hat sie als unbeschwert erlebt, auch wenn ihre zuletzt achtköpfige Familie sich eine Zweieinhalbzimmerwohnung mit der ihres Onkels teilte. "Eine typische Gastarbeitergeschichte", findet sie und betont, dass sie in Herrsching nie mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert worden ist. Gündoglu hat Helwig als ehemalige Lebensgefährtin beim Aufbau der Breitwand-Kinos unterstützt, er ist Vater ihrer beiden jüngsten Kinder. Seit sieben Jahren lebt das Paar getrennt, beide haben neue Partner. Dass sie geschäftlich immer noch harmonieren, kommt nun den Cineasten am Ammersee zu Gute.

© SZ vom 18.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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