Gigaliner:Umstritten erfolgreich

Lesezeit: 3 min

Das Gilchinger Logistik-Unternehmen Reichhart hat seit drei Jahren drei Gigaliner im Einsatz. Die Erfahrungen mit den überlangen Lkws sind so gut, dass bald ein vierter eingesetzt wird. Dennoch hält die Kritik an den XXL-Lastern an

Von Wolfgang Prochaska, Starnberg/Gilching

Sie sind weiter umstritten, auch wenn Verkehrsminister Alexander Dobrindt den fünfjährigen Feldversuch seit Anfang des Jahres zum Regelbetrieb erklärt hat. Gemeint sind die überlangen Lastwagen, wegen ihrer Länge von 25,25 Metern auch als Gigaliner bezeichnet. Ausgeschlossen sind sie noch im Saarland und in Berlin. In den anderen 14 Bundesländern sind für die Lang-LKW aber bestimmte Strecken ausgewiesen worden. Das kommt auch den Wünschen des Gilchinger Logistik-Unternehmens Reichhart entgegen - der einzigen Firma im Landkreis Starnberg, die am Feldversuch des Bundesverkehrsministeriums teilgenommen hat.

Der Grund ist klar: Die Gilchinger sind Vertragspartner des Schweizer Technologiekonzerns Ruag, der am Sonderflughafen in Oberpfaffenhofen Flugzeugelemente für Airbus herstellt. Den Transport der sperrigen Elemente nach Hamburg-Finkenwerder, wo die Airbus-Maschinen gefertigt werden, hat Reichhart mit seiner LKW-Flotte übernommen. Seit drei Jahren setzt Reichhart drei Gigaliner ein, die um etwa sieben Meter länger sind als herkömmliche Sattelzüge. Das Gesamtgewicht von 40 Tonnen liegt aber nicht höher als das maximale Gewicht von normalen Sattelzügen. Die Fahrtroute ist, was den Landkreis betrifft, genau festgelegt.

Die Maxi-Sattelzüge benutzen im Gewerbegebiet am Sonderflughafen die Friedrichshafener und Claude-Dornier-Straße, um anschließend in die Landsberger Straße einzubiegen. Von dort fahren sie über die Staatsstraße zur Autobahnanschlussstelle Oberpfaffenhofen und nutzen dann die A 96 Richtung Norden. Die Lindauer Autobahn ist grundsätzlich von der Landesgrenze Österreich/Deutschland bis München-Sendling für die langen Fahrzeuge zugelassen. Das gleiche gilt für die Garmischer Autobahn, die von München-Kreuzhof bis zum Anschluss an die B2 in Eschenlohe nutzbar ist. Gut 70 Prozent der Routen, die die Bundesländer ans Verkehrsministerium melden, verlaufen über Autobahnen. Etwa kurios erscheint die Freigabe der A 952, also jenes Autobahnteilstücks vom Starnberger Dreieck bis zur Ausfahrt Percha. Eine Weiterfahrt ist unmöglich, da weder eine Freigabe durch das Stadtzentrum Starnberg noch auf der Staatsstraße Richtung Berg vorliegt. Auch im Starnberger Landratsamt sind diese Regelungen nicht ganz nachvollziehbar.

Wie sind nun die Erfahrungen, die das Transportunternehmen bislang gemacht hat? Mario Fuchs, Leiter des Kompetenzcenters Transportlogistik bei Reichhart, drückt es so aus: "Wir konnten die Effizienz der Transporte auf den betroffenen Routen deutlich steigern und die Umweltbelastung gleichzeitig senken." Geschäftsführer Michael Jackl hatte bei einer Präsentation der Gigaliner bei Ruag vor drei Jahren auch erste Zahlen genannt: Statt 340 Fahrten mit den üblichen Sattelschleppern seien nur 190 in neun Monaten nötig gewesen, wobei 34 Prozent Diesel gespart worden seien, insgesamt wären das etwa 60 000 Liter pro Jahr, also zwei Tankzüge voll. Bei Reichhart Logistik ist man von den Gigalinern so überzeugt, dass in diesem Sommer ein vierter XXL-Laster angeschafft wird.

Fast 300 000 Euro kostet ein spezieller, für diesen Zweck des Transports von Flugzeugteilen konstruierter Sattelzug. Für Fuchs lautet die Rechnung so: "Wir können das Frachtvolumen von drei normalen LKWs mit zwei Lang-LKW fahren. Bei entsprechend hohem Transportaufkommen ist daher ein Einsatz dieser Fahrzeuge aus ökonomischer und ökologischer Sicht mehr als sinnvoll. Darüber hinaus ermöglicht uns der Einsatz der Fahrzeuge, für unsere Kunden innovative und kostenoptimierende Transportkonzepte zu erarbeiten." Mit anderen Worten: Die Wirtschaftlichkeit erhöht sich für beide Seiten.

Nicht jeder Fahrer mit LKW-Führerschein darf ans Steuer eines überlangen Sattelzugs. "Der Fahrer darf nur fahren, wenn er mindestens fünf Jahre ununterbrochen im Besitz der Fahrerlaubnis Klasse CE ist und über mindestens fünf Jahre Berufserfahrung im gewerblichen Straßengüterverkehr verfügt", erläutert Fuchs. Deweiteren müsse der Fahrer vor dem erstmaligen Führen der Fahrzeugkombination mit Überlänge an einer Schulung durch den Hersteller teilnehmen, in der insbesondere der sichere Umgang mit den besonderen Fahreigenschaften des eingesetzten Fahrzeugs oder der eingesetzten Fahrzeugkombination praktiziert werde. In der Einweisung werde zudem das Kurven- und Rückwärtsfahren besonders geschult. Die Schulung scheint sich zu bewähren: Von Unfällen ist bislang keine Rede.

Dennoch hält die Kritik an den 40-Tonnern an. Kritiker der überlangen Sattelzüge führen ins Feld, dass ihr Gewicht die Straßen schneller kaputt mache. Zudem würden noch mehr Güter von der Schiene auf die Straße hin verlagert, heißt es weiter. Autofahrer bemängeln, dass sich Überholvorgänge der 25,25 Meter langen Laster gefährlich lange hinziehen würden.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: