Gilching:Lachen über Köttbullar

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Krimiautor Jörg Maurer bereitet humorvoll zerstückelte Leichen zu

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Gilching

- Eine Tote ohne Gesicht auf der Alm, eine Geiselnahme in den Alpen, ein Toter, der beim Konzert von der Empore ins Publikum stürzt: Alpenkrimi-Autor Jörg Maurer hat nicht nur eine Vorliebe für besonders bestialische Morde, er verfügt auch über außergewöhnliche Fantasie. Im neuesten Krimi "Der Tod greift daneben" werden die Überreste des Nobelpreis-Ex-Jurymitglieds Bertil Carlsson in einem Häcksler gefunden. Bei der Lesung in Gilching bewies Maurer einmal mehr, dass es ihm Spaß macht, zerstückelte Leichen mit großem parodistischen Talent genüsslich zu beschreiben.

Von Carlsson bleibt nur eine gallertartige Masse übrig, aus der einige Knochensplitter ragen: "Wer das gesehen hatte, rührte sein Leben lang keine Fleischpflanzerl, Buletten, Frikadellen, Klöpse, Hackdätschli, Beefsteaks, Brisoletts, Fleischlaiberl, Fleischkrapfen, Hackklößchen, Faschierte, Köttbullar, Cevapcici, Keftedes mehr an", so Maurers Schlussfolgerung. Dann leitet er unversehens über zu einem Rezept, bei dem Weißwürste mit Senf und fünf bis sechs Gläsern Weißbier zu einem Brei gekocht werden. In jedem seiner Bücher gebe es eine Weißwurstgeschichte, damit das Klischee vom Brauchtum erhalten bleibt, sagt Maurer mit verschmitztem Lächeln.

Wie kommt man auf solche Ideen? Klaut man sie aus dem Internet, schreibt man von Kollegen ab oder wartet man auf die Inspiration? Dies sind die Fragen, die Leser an den Autor stellen. Maurer geht in eine Fußgängerzone und hört sich an, was zwei Zwölfjährige miteinander reden oder ein Ehepaar. In Gilching verteilt er Zettel, auf dem die Zuschauer einen möglichst originellen Satz aufschreiben sollen: "Bitte sauber schreiben", mahnt Maurer, ganz der Lehrer, der er einmal war. Dann liest er die Zettel vor, beispielsweise "der Asphalt ist schwarz und beinhaltet keinen Teer, sondern Bitumen" oder "ohne Transpiration keine Inspiration". Wirklich gemeine Sätze seien das, urteilt er und entwickelt spontan daraus eine Geschichte. Sie handelt von einem bestialischen Mafia-Mord und einer Leiche, die beim Straßenbau unter der frischen Teerdecke entsorgt wird. Bei Maurers Lesungen kann man herzhaft lachen, während man sich innerlich vor Ekel schüttelt.

Ebenso widersprüchlich präsentiert er sich auf der Bühne. Erst wirkt er harmlos und gemütlich, redet über Unverfängliches wie eine Bergtour, um dann unversehens die Stimme um eine Oktave zu heben und eine englische Grabinschrift zu zitieren: "Sterben ist eine besonders penetrante Art, sich wichtig zu machen", sagt er dann und das Publikum tobt.

Das Wichtigste beim Schreiben sei der erste Satz und die Verwendung möglichst vieler Adjektive, sagt Maurer. Daher habe er ein paar Kapitel im Stil eines Schicksalsromans verfasst: Dazu braucht man natürlich eine attraktive Frau, erklärt er und schlüpft sogleich in deren Rolle. Später wird er zum Fußball-Kommentator oder zu Goethe, der wie jeder Autor nach dem richtigen Wort sucht. Maurer stellt alle Typen in seinen Romanen mit großem schauspielerischen Talent dar. Es sind alltägliche Menschen, nicht ausschließlich gut oder böse, vielschichtig, originell und ein bisschen skurril. Auch Maurer ist mal grantelnd, mal philosophisch. Vor allem aber kann Maurer über sich selbst lachen, das macht ihn so sympathisch.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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