Gedenkgottesdienst:Orffs Dämonen

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Las die Messe für Carl Orff in der Andechser Klosterkirche: Abt Johannes Eckert. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Beim Gedenkgottesdienst in Andechs spricht Abt Eckert von den "bösen Mächten" im Werk des berühmten Komponisten

Von Reinhard Palmer, Andechs

Wer Carl Orff gedenkt, der gedenkt natürlich auch seiner Musik. Oder besser noch: Erinnert indirekt daran, dass sein Œuvre bisher nur rudimentär bekannt ist und es da noch einiges zu entdecken gibt. So war es auch bei dem Gottesdienst am Tag vor Orffs Todestag, der dem berühmten Komponisten und seiner letzten Ehefrau Liselotte gewidmet war. Zu den geladenen Gästen in der gut gefüllten Kloster- und Wallfahrtskirche Andechs, in deren Seitenkapelle Orff begraben ist, gehörte sein einstiger Schüler und Assistent Wilfried Hiller. Und an dem Vormittag kam nicht nur Musik des Meisters zur Aufführung - Abt Johannes Eckert entlieh Orffs Szenen auch den Stoff für die Predigt.

Es ging um die "bösen Mächte" und "dunklen Kräfte", die Eckert als Metaphern für die Bedrohungen der heutigen Welt auffasste. Von diesen Dämonen tummelt sich gerade in Orffs Bühnenwerken eine ganze Heerschar. Mythen, Sagen und Legenden voller Aberglauben und düstererer Phantasien faszinierten den Komponisten auf besondere Weise und flossen sogar in die christlich-religiösen Werke ein. So ins Weihnachtsspiel "Ludus de Nato Infante Mirificus" von 1960 - nicht zu verwechseln mit dem Krippenspiel zum Text von Orff (Musik von Gunild Keetman) - aus dem "Bairischen Welttheater", in dem Hexen als Abkömmlinge alpenländischer Perchten für die dunkle Seite stehen. Fünf Jahre zuvor war das szenische Osterspiel "Comœdia de Christi Resurrectione" entstanden, in dem der Teufel persönlich ins österliche Heilgeschehen einzugreifen versucht.

Die Komik des Werkes ist keinesfalls auf Respektlosigkeit gegenüber der christlichen Religion zurückzuführen. Orff griff vielmehr auf die Überlieferung des Spätmittelalters zurück, als so dramatische wie komödiantische Spektakel simultan in und vor der Kirche stattfanden. Lateinische und Mittelhochdeutsche Texte unterscheiden in Orffs Spiel den einstigen Kontext.

Nach der Lesung aus dem Lukas-Evangelium von der Wiederauferstehung Christi, der Überwindung des Todes, ging Abt Eckert auf das darin verborgene Hoffnungsmotiv ein: dass also das Erscheinen Christi den Verzweifelten die Augen öffnet, nachdem zwei Jünger den vermeintlich Fremden zum Verweilen eingeladen hatten. Eckert sprach vom "Sieg des Teilens". Was die Musik betraf, so gaben die Singphoniker (Benno Schachtner als Vertretung im Part des Countertenors) zunächst mit Orlando di Lassos "Ad coenam agni providi", Knut Nystedts "Peace I leave with you" und Maurice Duruflés "Pater noster" Kostproben ihrer geradezu perfekt austarierten, körperhaften Stimmenbalance in kristalliner Klarheit und Transparenz.

Ein Vorprogramm, das Orffs Werk zu positionieren half. "Sunt lacrimae rerum" hatte er 1956 geschaffen, er leitete aus dem tradierten Chorsatz konsequent seine Idee von den musikalischen Qualitäten der Sprache ab. Doch selbst in diesem Spiel mit Silben und Lauten vermochten die Singphoniker die auf diese Weise abstrahierte Deutung der Worte klar herauszuarbeiten. Feinsinnige Stimmungen ergaben sich aus melodischen Linien, rhythmisierter Repetition und struktureller Intensivierung, die bisweilen fast schon ins Grooven geriet.

"Et tempus pacis!" brachte ein breitflächigeres Finale, das die Züge von berührenden Soundscapes trug und die versöhnliche Botschaft des Ostermontags - streng tickend kontrastiert - noch unterstrich.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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