Gauting:Nur das Kennenlernen hilft

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Podiumsdiskussion zum Thema Islam: Rainer Oechslen (v. li.), Martina Neubauer, Akbar Khugyani, Thomas Avenarius und Jürgen Schade. (Foto: Arlet Ulfers)

Bei einer Podiumsdiskussion mit dem Thema "Die Angst vor dem Islam" werden unterschiedliche Positionen deutlich. Sich öffnen, sagen die einen. Aber niemand kann zur Toleranz gezwungen werden

Von Blanche Mamer, Gauting

Die Angst vor dem Islam und dem muslimischen Nachbarn kann man niemandem nehmen. Das kann auch die Polizei nicht, die am Mittwoch vor dem Bosco in Gauting die Besucher der Podiumsdiskussion der Grünen "Angst vor dem Islam - Muslime unsere Nachbarn" beobachtet. "Nur zur Vorsicht!", wie Dienststellenleiter Ernst Wiedemann sagt. In Gauting gebe es bisher keinen Anlass zur Besorgnis, betont Organisator Jürgen Schade, der an Stelle der erkrankten Landtagsabgeordneten Claudia Stamm Platz am Tisch der Experten genommen hat.

Allein in Gauting kümmern sich viele Ehrenamtliche aus vier Helferkreisen um die Flüchtlinge. Es gebe keine Überfälle, keine Belästigungen, sagt Schade und lobt die Willkommenskultur. Dass alles so gut läuft, das glauben indes nicht alle der etwa 200 Zuhörer. Und auch auf dem Podium mit Rainer Oechslen, Beauftragter der evangelischen Landeskirche für interreligiösen Dialog und Islamfragen, Akbar Khugyani, Migrant aus Afghanistan und Fachinformatiker bei Webasto, Tomas Avenarius, SZ-Journalist und langjähriger Nahost-Korrespondent, rührt sich Widerspruch. "Mit Puderzucker überzogen", nennt es Avenarius. Die Willkommenkultur scheine ihm etwas blauäugig. Gerade was die Situation der Frauen angehe, stoße die Integration auf große Schwierigkeiten. Falls die Integration nicht gelinge, könnten sich zehn bis 30 Prozent der muslimischen Migranten auf ihre alte Kultur und damit in eine Parallelgesellschaft zurückziehen. Siehe Paris oder Molenbeek. "Es kann schlimm werden", befürchtet er. Ein Pessimismus, den Schade vehement zurückweist. "Wir sehen die Ursachen für das Scheitern in Paris und Brüssel und wollen das besser machen."

Petra Neubauer, Stadt- und Kreisrätin der Grünen aus Starnberg, die die Veranstaltung moderiert, hakt bei Khugyani nach, wie er die Situation einschätze. Die Menschen, die kommen, hätten die Verpflichtung, sich zu öffnen, findet er. Doch es brauche Strukturen. Die Migranten müssten arbeiten, denn nur herumzusitzen bringe sie auf schlechte Gedanken. "Es wird Probleme geben. Die Sorgen der Frauen sind berechtigt", klagt eine Zuhörerin.

Das Einzige, was gegen die Angst hilft, ist, sich kennen zu lernen und miteinander zu reden. Grundsätzlich sind sich darin Experten und Zuhörer einig. Doch jemanden zum Reden oder gar zur Toleranz zwingen zu wollen - das gehe nicht, findet Avenarius. Und die Toleranz so weit zu treiben, dass man seinen eigenen Lebensstil ändere, das gehe gar nicht. So hält er wenig davon, etwa beim Sommerfest des Kindergartens auf Würstl oder Bier zu verzichten, weil islamische Familien eingeladen sind. Dies hat Oechslen vorgeschlagen, weil eben, wie er meint, Integration keine Einbahnstraße sei und die Einheimischen sich ebenfalls ändern müssten. Eine afghanische Frau aus dem Publikum, die seit 20 Jahren in München lebt, sagt, sie sei nach Deutschland gekommen, weil sie ein geschütztes Leben gewollte habe. Nicht der Islam mache Angst, sondern schlechte Menschen seien das Problem. Sie sorge sich um die Kinder, die in Lagern und an Grenzzäunen ausharrten. Es gehe darum, sich mit den Ursachen der Flucht und den Wurzeln des Krieges zu befassen.

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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