Gauting:Musik voller Seele

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Meisterlich: Das Quatuor Modigliani mit der Primaria Elina Buksha bei seinem Auftritt. (Foto: Nila Thiel)

Das Quatuor Modigliani mit Elina Buksha im Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

So wichtig ein Primarius fürs Streichquartett auch ist: Ihn zu ersetzen, kann unter Umständen am leichtesten sein, zumindest vertretungsweise bei Erkrankung. Das liegt daran, dass er nicht selten konzertant auftritt, was ihn vom Klangkörper des Ensembles abhebt. Doch Elina Buksha suchte an der ersten Violine keinesfalls die Interpretationsweise des Quatuor Modigliani im Gautinger Bosco mit Eigenwilligkeit zu sprengen.

Zwar standen tatsächlich zwei Werke auf dem Programm, die der ersten Violine über weite Strecken eine konzertante Führungsrolle zubilligen, doch die Lettin hob ihren Part mit viel Fingerspitzengefühl nur hauchdünn übers Ensemble empor, ohne dessen Geschlossenheit und sorgfältig austarierte Klangbalance aufzubrechen. Es war vielmehr etwas mehr Glanz und Frische, die ihre Stimme exponierte. Sie blieb also innerhalb der Charakteristika des französischen Ensembles, ist das Quatuor Modigliani doch ein lustvoll und spielfreudig musizierendes Ensemble, das zugleich aber auch ein sehr kultiviertes Klangidiom pflegt.

Den Quartettsatz c-Moll D 703, jenes Fragment aus Schuberts Quartett-Durststrecke, setzte das Ensemble an den Anfang, offenbar um diese besondere Klanginszenierung in reiner Form voranzustellen, als wär's ein Motto. Die wohlige Harmonik darin, über die sich betörend schöne Gesänge der Themen erhoben, eingebettet in Schönklang: Das alles kündigte schon an, wie weit seelentiefe Empfindungen den Abend bestimmen würden. Schuberts Allegro-Satz sollte nicht der einzige bleiben, der derart feinsinnigem Changieren im Ensembleklang brachte.

Klangformung war auch ein gewichtiger Parameter in der Interpretation des 1. Preußischen Quartettes Mozarts aus dem Jahr der Französischen Revolution. Doch das war für den verschuldeten Mozart wahrscheinlich weniger wichtig als die Anpassung an den Berliner Geschmack, sollte doch das D-Dur-Quartett KV 575 den Preußenkönig überzeugen und die eigene prekäre finanzielle Situation retten. Das ging schief. Trotzdem: Das Werk ist großartig, weil es weniger galant ausfiel und seine Melodik reichhaltiger ist. Die Verhaltenheit im Kopfsatz nahm etwas vom feierlichen Ansatz zurück, vielleicht einfach nur, um mehr Raum für die Weiterentwicklungen zu gewinnen. Und das Ensemble nutzte die Gelegenheit, sie mit großer Sensibilität zu formen.

Wenn es Elemente gibt, die ein Ensemble als meisterhaft adeln, dann sind es meist diejenigen, die kaum zu beschreiben sind und den Zuhörern den Atem rauben. Etwa wieder im homogenen Schönklang des Andante mit seinen betörenden Rücknahmen. Das sollte auch im Streichquartett a-Moll op. 13 wieder erscheinen, dem Epitaph, das Mendelssohn als Huldigung an sein großes Vorbild Beethoven kurz nach dessen Tod doch eher plastisch modellierte denn in Stein meißelte. Solche überragenden Momente konnten aber auch als pfiffige Glanzlichter aufblitzen, mit frischem Kolorit und Leichtigkeit, wie in Mozarts Menuetto mit einer kokettierenden Buksha, aber auch in Mendelssohns Intermezzo mit seinem mitreißend hastenden Trio.

Was die meisterliche Qualität des Ensembles offenbarte, war gewiss auch die Konzeption und Dramaturgie des Programms. Und die steuerte klar auf einen kontrastreichen Schlusssatz zu - auf das Presto Mendelssohns, das kurz vor dem Finale eine Wendung in den Schönklang und zum Langsamen hin erfährt. Ein großer Effekt, mit dem das Quatuor Modigliani und Elina Buksha noch einmal Schuberts Wohlklang vom Konzertbeginn herbeizauberten. Frenetischer , lang anhaltender Applaus und eine galante Zugabe.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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