Gauting:Melancholie mit Melismen

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Gesang mit Klavier und Violine: Kyoko Asaka und Sornitza Baharova servieren in der Remise kontrastreiche Sonatenliteratur

Von Rainer Palmer, Gauting

Melodische Stücke mit klaren Linien, eingängig und emotional, meist mit persönlichem Hintergrund, sind sehr beliebt. Er findet sich bei Chopin, aber vor allem auch in der Regenliedsonate von Brahms. Auf ihrer CD haben die Japanerin Kyoko Asaka (Klavier) und die Bulgarin Sornitza Baharova (Violine) diese Preziose der Sonatenliteratur nicht ausgespart. Beim Kleinen Sommerfestival in der Remise des Gautinger Schlosses Fußberg musste sie im Programm "Songs for Violin and Piano" nach der Pause der längeren Kreutzersonate von Beethoven weichen. Ein Kontrastprogramm also, das den Charakterunterschied deutlich machte.

Liedgrundierte Werke spannen weite Bögen, rhythmisieren fließender, changieren reicher im Kolorit. Im Detail hängt es jedoch davon ab, woher das Lied stammt und wer das Werk komponierte. Ist das Grundmaterial ein ungarisches Volkslied, wie in Zigeunerweisen op. 20 des Spaniers Pablo de Sarasate, dann geht es vor allem um feuriges Temperament und schmissige Virtuosität. Aber das Duo Asaka und Baharova ließ sich nicht gehen, fokussierte vielmehr die melismenreiche, melancholische Liedvorlage als wuchtige Brillanz und Fingerakrobatik des einstigen Geigenstars de Sarasate. Das machte dann doch einen deutlichen Unterschied aus. Sorgsam ausgespielt statt hingeschmettert offenbarte das leidenschaftliche Auf und Ab eine erzählerische Charakteristik, aus der zarter, trauriger Gesang hervorging.

Verständlich wurde dieser Zugriff vor allem dank des vorausgegangenen "Pesen" (Lied) aus der Bulgarischen Suite op. 21 des Komponisten und Pianisten Pantscho Wladigerow, der seine Liedvorlage intensiver im Auge behielt. Baharova fand hier auch einen goldenen Mittelweg zwischen musikantischer Verve und leidenschaftlich angefeuerter, kultivierter Substanz. Die Melancholie, ja vielleicht sogar eine gewisse lethargische Note, sorgte dafür, dass Virtuosität niemals zum effektvollen Selbstzweck wurde, sondern sich stets dieser besonderen Atmosphäre verpflichtet zeigte. Asaka blieb im Begleitpart streng und grundierte mit dunkler Substanz.

Da sind Italiener natürlich ganz anders veranlagt. Zudem machten Asaka und Baharova in diesem Programmteil deutlich, dass Ottorino Respighi zu Unrecht auf seine sinfonische Dichtung "Fontane di Roma" reduziert wird. Seine "Cinque Pezzi" (Fünf Stücke) op. 62 von 1906 sind geradezu ein Feuerwerk lustvollen Musizierens zwischen nostalgischer Sentimentalität, vergnügten Sinnenfreuden, lyrischer Behaglichkeit und tänzerischer Verve. Ein Rundumschlag, der in der Interpretation von Asaka und Baharova dennoch ein schlüssiges Ganzes in kompakter Form ergab. Das Duo fand darin viele ansprechende Stimmungen, die sich schönmelodisch und in schier endlosen Gesangslinien ausspannetn.

Beethovens Kreutzersonate op. 47 musste dagegen zwangsläufig schwerfälliger und spröder daherkommen. Asaka und Baharova nahmen aber aus der ersten Konzerthälfte reichlich Material mit, um den Kontrast abzuschwächen. So verwandelte sich im Kopfsatz die vorwärts drängende Spannung zu stürmischer Leidenschaft, im Schlusssatz wurde die scharfe Rhythmik zum spielfreudig-leichten Galopp. Der zarte Gesang im zentralen Variationssatz schlug dann eine Brücke zum Thema Lied. Begeisterter Applaus und eine Wiederholungszugabe.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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