Gauting:Eine Frage der Ethik

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Der 70-jährige Regisseur Peter Konwitschny kann auf fast 50 Jahre Berufserfahrung zurückblicken. (Foto: Thiel)

Opernregisseur Konwitschny spricht über seine Arbeit

Von Reinhard Palmer, Gauting

An der Oper scheiden sich die Geister. Aber anders als es der renommierte Regisseur Peter Konwitschny in der Gautinger Buchhandlung Kirchheim vor Augen führte. Was dem Publikum unter den Nägeln brannte, lag bald auf dem Tisch der Gesprächsrunde: Die Frage nach der Gewichtung zwischen Musik und Theater. In zwei Stunden der Ausführungen über Opernregie kam die Musik kaum zu Sprache und dann meist als Bestandteil, das Regieeinfällen zu weichen hätte. Wer die Auswüchse oftmals cineastisch geprägter Operninszenierungen der jüngsten Zeit mitverfolgt, in denen Regisseure bisweilen ihre eigenen Seifenopern über Klassiker stülpen, musste den geäußerten Einwänden zustimmen. Aber klar, bei der Vorstellung eines Buches, das sich mit Opernregie befasst, waren musikalische Überlegungen ein nachrangiges Kapitel. Dass hier aus dem 525-seitigen Wälzer "Mensch, Mensch, Mensch!" über Peter Konwitschny vor allem dessen Arbeit gewürdigt wurde, lag nahe. Herausgeberin Andrea Welker lenkte aber immer wieder, bisweilen allzu hochtrabend und mit hochgreifenden Zitaten gespickt, das Gespräch darauf.

Peter Konwitschnys Ansinnen war es nicht, seine Arbeit zu glorifizieren. Ihm war es weit wichtiger, die aus fast 50 Jahren Theaterarbeit gezogenen Lehren weiterzugeben. Und erhielt ein Plädoyer für die Oper, die heute allzu oft als museales Relikt vergangener Epochen angesehen wird. "In der Oper steckt unser aller Leben", stellte der Regisseur auch gleich zu Anfang fest. Von der Idee des epischen Theaters Brechts getrieben, gesteht Konwitschny der Oper gar den Vorteil zu, mit der Musik weit emotionaler ansprechen zu können als es im Sprechtheater möglich wäret. Doch der Musik die Fähigkeit zuzutrauen, Inhalte auch sprachlos wiedergeben zu können, wollte ihm nicht über die Lippen kommen.

Das verwundert, denn als Sohn eines Gewandhaus-Kapellmeisters und einer Soubrette habe er schon pränatal Opernmusik gehört, betonte er. Doch Konwitschny Name ist auch eng mit Sprechtheater verbunden, vor allem mit Brecht und Heiner Müller, mit intellektueller und symbolträchtiger Theaterarbeit sind. "Es geht in erster Linie um Ethik", betonte Konwitschny. Mit diesem "ganzen Klimbim an Dekoration" könne er nichts anfangen, postulierte er schlüssig und zitierte "Wer keine Haltung hat, ist zum Design verdammt". Sich auf den Menschen zu konzentrieren sei ihm ein vordringliches Anliegen, Werktreue - "ein wunderbares streitbares Wort" - sei weniger relevant als Sinntreue. Dramaturgen seien für ihn daher Vertrauenspersonen: "Ich brauche einen Gegenüber, nicht für das, was er antwortet, sondern was er fragt". So wurde das Thema der Operninszenierungen weiträumig umrundet, um immer wieder zum Kern vorzudringen - durchaus auch mit Humor.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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