Helferkreis:Als Flüchtling willkommen in Gauting

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Sport gegen den Lagerkoller: Einige Kinder gehen auch aufs Spielfeld einen Platz der Hauptschule zum Fußball spielen. (Foto: Franz X. Fuchs)

Inzwischen kümmern sich 60 Helferinnen um die Asylbewerber, die im Ort untergekommen sind. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist groß. Aber schon bald könnte die Gemeinde vor neuen Herausforderungen stehen.

Von Michael Berzl, Gauting

Mitten in der Nacht stehen sie dann da, 15 Flüchtlinge, nur mit dem Nötigsten im Koffer. Die Ankunft war kurzfristige angekündigt, um 3 Uhr wurde Landrat Karl Roth per Handy verständigt, dass die Gruppe eintrifft. Auch in Gauting ist so etwas im vergangenen Herbst passiert, als zeitweise mehr Asylbewerber gekommen sind als sonst. Die Gruppe wurde in der Sammelunterkunft an der Ammerseestraße einquartiert, die dafür eigentlich noch gar nicht richtig vorbereitet war. Ein Bett, ein Tisch, mehr gab es zunächst nicht. Da wurde improvisiert. Zum Duschen mussten sie zeitweise in Container im Garten. Auch das ein Fall für den Gautinger Helferkreis. "Wir versuchen dann, alles zu organisieren, was man braucht, um sich ein bisschen wohlzufühlen", erzählte Carmen Schmitz den Gemeinderäten.

Und das ist nur ein Beispiel für das ehrenamtliche Engagement vieler Frauen und einiger Männer für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen mussten. Da kommen Helfer jeden Tag in den Gemeinschaftraum in der Paul-Hey-Villa an der Ammerseestraße, um mit ihren Schützlingen Deutsch zu pauken und sie auf Prüfungen vorzubereiten. Oder sie organisieren in manchmal mühsamen Verhandlungen mit dem Sozialamt die Bezahlung für einen Arztbesuch. Sie helfen bei der Wohnungssuche und klappern 30 Adressen ab, bis sie irgendwann doch resigniert aufgeben. Oder sie besorgen Fahrräder und Kleidung, reden mit Lehrern. Und manchmal feiern sie auch zusammen. "Es ist uns wichtig, dass die Menschen ein Stück Heimat bei uns haben", sagte Schmitz. Von ihr, Mitstreitern und einem jungen Paar aus Syrien haben die Gautinger Gemeinderäte am Dienstag erfahren, wie umfangreich und mannigfaltig die Arbeit des Helferkreises ist, der eigentlich Helferinnenkreis heißen müsste. Da wurde schnell deutlich, dass das Leben der Flüchtlinge ohne diese Unterstützung wesentlich beschwerlicher wäre. Klar ist aber auch, dass die Möglichkeiten wenn nicht jetzt, dann doch in absehbarer Zeit an Grenzen stoßen. "Der Helferkreis kann nicht alle Probleme lösen, die in Gauting anfallen", sagte Sebastian Scholz, der in dem Ort aufgewachsen ist, mittlerweile in München wohnt, aber immer wieder herauskommt zum unterrichten.

Die Hilfsbereitschaft ist groß. Auf einen Aufruf hin haben die Gautinger haufenweise Kleidung gebracht. (Foto: Franz X. Fuchs)

Derzeit sind nach Angaben des Starnberger Landratsamtes 465 Asylbewerber im Landkreis untergebracht, und bis zum Jahresende werden es noch viel mehr sein. Das zugeteilte Kontingent sieht die Unterbringung von 828 Menschen vor; wo sie alle unterkommen sollen, ist noch lange nicht geklärt. Das Landratsamt sucht dringend nach geeigneten Wohnungen. Nach Starnberg befinden sich die meisten Plätze in Gauting. Allein in der Sammelunterkunft an der Ammerseestraße, für die die Regierung von Oberbayern zuständig ist, leben 87 Menschen. Unter der Obhut von Caritas und Condrobs werden insgesamt 16 Jugendliche betreut, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind, und in der ehemaligen Schmidt-Klinik an der Bergstraße soll eine weitere größere Unterkunft für mindestens 40 Flüchtlinge entstehen. Eigentlich sollte der Umbau längst fertig sein, weil aber die Verhandlungen zwischen Landratsamt und Eigentümern noch nicht abgeschlossen sind, verschiebt sich der Termin für den ersten Einzug Woche um Woche.

Wenn aber auch in die frühere Nervenklinik, die in den vergangenen Jahren als Studentenwohnheim genutzt wurde, Asylbewerber einziehen, dann kommen auf den jetzt schon gut ausgelasteten Helferkreis möglicherweise neue Aufgaben zu. Bislang kümmern sich etwa 60 Ehrenamtliche unter der Regie von Claudia von Maltitz aus Krailling um die Flüchtlinge. "Wir stehen da noch vor einer wirklichen Herausforderung", sagte Henrike Duchon, eine der Helferinnen.

Immerhin wird die Arbeit erleichtert durch den großen Rückhalt bei den Gautingern. Ein Spendenaufruf hatte zur Folge, dass sich bald Kleidung bis unter die Decke stapelte. Und es gibt viele Beispiele, wie unkompliziert geholfen wird. So wird etwa die Gemeinde im Sommer Gratis-Karten für das Schwimmbad ausgeben, der Bauhof ermöglicht Praktika, und auf einem Spielfeld der Mittelschule treffen sich regelmäßig etwa 15 Kinder zum Fußball spielen. So weit, so schön.

Völlig ungelöst ist aber die Frage, wo diejenigen Flüchtlinge einmal wohnen sollen, deren Asylantrag angenommen wurde und die eigentlich aus den Unterkünften ausziehen müssten. Im Landkreis gibt es 40 dieser "Fehlbeleger", wie sie im Behördendeutsch genannt werden. Bahaa Fatiouh und Sausan Jindawi aus Damaskus haben schon erlebt, wie aussichtslos die Suche sein kann. Die beiden möchten ihr Jurastudium fortsetzen, schauen sich seit einem halben Jahr nach einer Wohnung um, bislang aber vergeblich. "Das ist demütigend und frustrierend, wenn man sich 30 Mal vorstellt und immer nur Absagen kriegt", berichtete Claudia von Maltitz. Die Nachfrage nach Sozialwohnungen sei ohnehin schon riesig, berichtete Bürgermeisterin Brigitte Kössinger. Mehr als 100 Personen stünden auf der Warteliste, neun seien im vergangenen Jahr untergebracht worden. Maltitz appellierte daher an die Gemeinde, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Bedarf wird ja noch größer.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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