Gauting:Begeistert von Beethoven

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Das Quatuor Ebène mit neuem Bratschist im Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Seit seinem Sieg beim ARD-Wettbewerb 2004 erregt das Quatuor Ebène Aufsehen. Das ist gewiss mit einigem Leistungsdruck verbunden, der den vier Franzosen aber offenbar nichts anhaben kann. Mit ungebrochenem Enthusiasmus, Hingabe und großartigem Ensemblegeist im gegenseitigen Zuhören und Kommunizieren tauchen die Musiker in jedem Konzert mit Entdeckerlust in den Bühnenrausch ein. Und nun überstand das Ensemble ohne Schaden auch einen Wechsel an der Bratsche: Anstelle von Methieu Herzog, der Dirigent geworden ist, bewies Adrien Boisseau beim Auftritt im Gautinger Bosco, dass er sich bereits voll und ganz in den Klangkörper integriert hat. Gegenüber dem wuchtigen Herzog tritt Boisseau weit weniger herausfordernd und expressiv auf, dafür umso aufmerksamer und klangsinnlicher.

Ob sich die Konstellation auch im Jazz bewähren wird, bleibt abzuwarten. Im sogenannten ernsten Repertoire nahm sich das Quatuor Ebène die beiden späten Beethoven-Quartetten cis-Moll op. 131 und a-Moll op. 132 und damit zwei ausladende und reich ausgestattete Großformate vor, die vom Material her eng miteinander verbunden sind. Die vor allem aber darauf ausgerichtet sind, als jeweils ein Ganzes aufgefasst zu werden. Mit dichtem und intensivem Spannungsaufbau war dies für die vier Franzosen geradezu selbstverständlich in die jeweilige Dramaturgie der Interpretation integriert. Die Entwicklung der Sätze, die meist aus weit reduzierten Motiven allmählich einen schier überbordenden Ideenreichtum entfalten, führte weiträumig auf das jeweilige Zentrum des symmetrischen Satzgefüges zu. Der Fokus im op. 131 auf das Andante mit Variationen, die sich hier aber auch in ihrer Abfolge einem deutlich empfundenen Spannungsbogen fügten. Im op. 132 triumphierte das Ensemble im Kulminationspunkt, dem "Heiligen Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit", mit einer superlativen Stimmenausgewogenheit und klanglichen Balance. Diese überaus feinsinnige, treffsichere Charakterisierung sorgte gerade im Hell-Dunkel-Changieren immer wieder für packende Momente.

Für Begeisterung sorgten vor fast ausverkauften Haus die kindlich-naiven und volkstümlichen Motive und Themen, die sich Beethoven in der schwierigen Lebensphase der Isolation durch seine Taubheit mit liebevoller Köstlichkeit hatte einfallen lassen. So zauberte das Quatuor Ebène im Presto des op. 131 mit verspielter Musizierfreude einen hinreißenden Scherzo-Charakter. Zwischen filigraner Raffinesse und ausgelassenem Musikantentum kokettierten die vier Volkslieder des Trios im zweiten Satz des op. 132. Ein großartiges Musikerlebnis mit einem euphorisch beglückten Publikum.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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