Gauting:Beethovens Bebob

Lesezeit: 2 min

Quatuor Ebène in neuer Besetzung im Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Bereits zum 12. Mal kam das Spitzenquartett nach Gauting ins Bosco. Und es gilt nach wie vor: Packender als das Quatuor Ebène kann man Kammermusik wohl kaum interpretieren. Zumal nun die Neubesetzung an der Bratsche großartig zu den drei Gründungsmitgliedern passt: Marie Chilemme, die im Oktober 2017 das Instrument von Mathieu Herzog übernahm, brachte reichlich Frische und Bewegung ins Ensemble.

Ihr mimisches Spiel ist pfiffig, frech und mit gekonntem Hüftschwung auch schon mal kokett. Das ist neu im Quatuor Ebène, gefällt aber offenbar auch den drei jungen Männern gut. Jedenfalls begegnete das Ensemble dem enormen Erwartungsdruck weiterhin unverkrampft und gelegentlich gelöstem Lächeln, was nach so vielen Jahren des gemeinsamen Strebens nach Perfektion nicht selbstverständlich ist. Dennoch spürte man die geballte Konzentration, die schon allein deshalb entscheidend ist, weil diese vier Musiker keinesfalls starr die einstudierte Partitur herunter spulen. Dieser kleine Spielraum sorgt für durchaus magische Momente: Selbst oft gehörte Standardliteratur klingt erfrischend unverbraucht.

Der so geartete Zugriff verlieh den gespielten Werken den ursprünglich avantgardistischen Charakter, sodass es schließlich doch gar nicht so weit hergeholt schien, im Finalsatz Beethovens Streichquartett C-Dur op. 59/3 die rasant wirbelnde Fuge als Prototyp des Bebop zu bezeichnen. Als Konsequenz wähnte Cellist Raphaël Merlin den Schritt, in der Zugabe Miles Davis zu spielen - und behielt Recht, zumal Beethoven im Vergleich wesentlich kraftvoller abschnitt. Das lag natürlich an der energischen, spannungsgeladenen Interpretation dieses Beethoven-Schlusssatzes, dessen geballte Energie sich im ersten Akkord der langsamen Einleitung des Kopfsatzes bereits angekündigt hatte. Und auch das spricht für die Klarheit in der Idealvorstellung des Ensembles, der die vier Musiker mit atemberaubender Einfühlsamkeit und Präzision sowie untrüglichem Instinkt folgten.

Das Abenteuer begann mit Mozarts Ringen mit der Gattung, deren Niveau Haydn schon so hoch geschraubt hatte, dass den nachfolgenden Genies nur noch eins übrig blieb: Das Streichquartett zur Königsdisziplin der Kammermusik zu erheben. Zwar immer mit einem Auge auf Haydn, auch wenn Mozart in seinem d-Moll-Werk KV 421, in dem es Primarius Pierre Colombet auch solistisch zu tun bekam, es nicht direkt tat. Er wollte das Publikum auch nicht partout davon überzeugen, dass er Haydn kann. Mozarts Quartett blieb seine ureigenste Erfindung, wenn auch mit dem pausenzerklüfteten Andante oder dem Siciliano-Thema des Schlusssatzes.

Für das Quatuor Ebène geradezu ein Ansporn, sich auf das Werk einzulassen. Die Zuhörer direkt anzusprechen und sie emotional zu berühren, erwies sich erneut als Stärke des Ensembles. Und in Beethovens Streichquartett G-Dur op. 18/2 fanden die vier Musiker reichlich Material: Es zu ordnen und einer schlüssigen Dramaturgie zu unterziehen, war schwierig, weil es hier galt, die sich mit Haydn und Mozart messende Nachempfindung der beiden Vorbilder darin mit immer wieder aufblitzenden eigenen Erfindungen des noch ungestümen Komponisten in Einklang zu bringen. Während Colombet und Merlin recht auffällige Parts brillant zu stemmen hatten, verdankte das Ensemble die Homogenität der weniger exponierten engen Zusammenarbeit zwischen Chilemme und Gabriel le Magadure (2. Violine). Eine klangvolle, satte, dennoch leichte und strahlende Mitte, die bei der Klanggestaltung eine große Rolle spielte, zumal der rückgewandt galante Charakter des Werkes von der sinnenfreudigen Substanz des Quatuor profitierte. Lang anhaltender, begeisterter Applaus im lange im Vorfeld ausverkauften Bosco.

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: