Gauting:Aus einer anderen Zeit

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Ein überzeugendes Debütalbum: Black Patti im alten Bahnhof

Von Sabine Zaplin, Gauting

Die stillgelegte Baugrube, das verfallende Bahnhofsgebäude, die bröckelnde Fassade und drinnen in der ehemaligen Bahnhofsgaststätte die verblichenen Blümchenmuster an den Wänden - das alles war Blues pur. "Wisst Ihr, was Blues ist?" fragt Peter Krause alias Peter Crow C. das Publikum. "Blues ist, wenn es dicke Suppe regnet und ihr alle Löffel habt, Ferdi und ich aber bloß jeder ne Gabel." Black Patti war zu Gast bei der letzten "Bahnhofsbesetzung" des Gautinger Hausbesetzerteams Sebastian Hofmüller und Ernst Matthias Friedrich. Black Patti, das sind Peter Crow C. und der junge Gautinger Bluesmusiker Ferdinand "Jelly Roll" Kraemer, der die fast in Vergessenheit geratene Bluesmandoline spielt, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan. Im Gepäck hatte Black Patti ihr lange erwartetes und erst jetzt erschienenes Debütalbum, aus dem sie zum größten Teil das Konzertprogramm des Abends bestritten. "No Milk No Sugar", heißt das Album, aufgenommen wurde es auf analogem Equipment mit Bändchenmikrofonen aus den Vierzigern, und selbstverständlich ist die CD-Ausgabe nur ein Zugeständnis an die gängige Abspieltechnik des Publikums. Das Herz von Black Patti hängt an der LP. "Am liebsten hätten wir eine Schellackplatte gemacht", sagt Peter Crow C., "Vinyl finden wir eigentlich schon viel zu digital."

Es war gleich zu merken: Die Herren - an diesem Abend war als Special Guest noch der Bassist Uli Lehmann mit dabei - legen größten Wert darauf, aus einer anderen Zeit zu kommen; einer Zeit, zu der Hosenträger ebenso zählen wie Goldrauschkater, Hosen so weit wie das Mississippi-Delta und der raue Klang tieftrauriger Erlebnisse in den Stimmen. Und Züge. Züge, deren Existenz allein schon das Versprechen einer besseren Gegend sind. Der "Morning Train" nahm gleich zu Beginn des Abends alle Zuhörer fort aus dem traurigen Bahnhof, mit in ein Amerika, das es so längst nicht mehr gibt und wer weiß, ob es das je gab - und auch das ist schon wieder Blues. "You got to take sick and die some of these days" heißt ein Song, der genau das transportiert.

Dem gegenüber steht eine entspannte Lebensfreude, die sich durchaus auch mal in einem Boogie-Woogie ausdrücken darf - auch wenn Black Patti so etwas nur einmal am Abend machen. Lieber sind ihnen da Songs, bei denen die Saiten ihrer Instrumente die sonnigen Seiten des Lebens transportieren, der "Jelly Roll Swing" beispielsweise, den Peter Crow C. seinem jungen Kollegen gewidmet hat und der seiner Meinung nach eigentlich zur Gautinger Hymne werden sollte. "Unglaublich, wie Ferdinand sich in den letzten Monaten entwickelt hat", sagt er, "das macht einem fast Angst." Und natürlich sind auch Kompositionen von Ferdinand Kraemer an diesem Abend - und auf dem Album - dabei, "I´m so worried about my baby" zum Beispiel oder ein ganz neuer, noch nicht aufgenommener Titel: "I got a letter from my darling". Die klingen dann so jung und innovativ, als stünden uns die amerikanischen 1920er noch bevor.

Eine Topografie der schwarzen Roots- und Bluesmusik spannt Black Patti im Gautinger Bahnhof auf, instrumentiert mit Gitarren, Mandoline, Mundharmonika und Bass. Und als mit "I´m goin´ home" das Programm einen sehr runden, passenden Abschluss fand, war der Abend noch lange nicht zu Ende.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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