Flüchtlinge:Kommunen fühlen sich allein gelassen

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Auch ins Fünfseenland kommen immer mehr Asylbewerber. Noch melden sich Bürger, die Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung stellen wollen. Die Kreisräte fordern nun Unterstützung durch die Regierung

Von Christiane Bracht, Starnberg

Die Lage spitzt sich zu. Bislang kamen immer nur so viele Flüchtlinge ins Fünfseenland, wie der Landkreis aufnehmen konnte. Seit Anfang August ist das anders. "Jetzt kommt nachts um 22 Uhr schon mal ein Anruf, dass am nächsten Morgen bis zu 20 Asylbewerber in den Landkreis geschickt werden", berichtete Landrat Karl Roth im Kreistag am Montag. 15 waren es dann am vorletzten Wochenende. Viele Schleuser laden die Flüchtlinge jetzt direkt vor den Erstaufnahmelagern ab. Bisher ist es dem Starnberger Ausländeramt gelungen, die Neuankömmlinge zu verteilen. Doch die Sorge, dass dies nicht mehr lange so sein könnte, war deutlich herauszuhören. 330 Asylbewerber hat das Fünfseenland derzeit, bis Ende des Jahres rechnet man mit 500.

Noch melden sich Bürger, die bereit sind, eine Wohnung für Asylbewerber zur Verfügung zu stellen, sagte Roth. Zelte aufbauen komme nicht infrage und Container seien momentan ausgebucht. Man müsse sie ein Vierteljahr vorher bestellen. Und Schülern die Turnhalle wegzunehmen, sei für ihn der letzte Schritt. In den Nachbarlandkreisen müssen die Asylbewerber sofort nach ihrer Duldung die Unterkunft verlassen. Das verlangt das Landratsamt in Starnberg nicht. "Wir lassen die Gemeinden nicht im Regen stehen", versicherte Roth, wohl wissend, dass die Flüchtlinge dann obdachlos wären. Denn Wohnungen für sie zu finden, ist schwierig. Angesichts der prekären Lage sucht die Behörde jetzt auch "größere Objekte".

Martin Fink (CSU) beklagte, dass viele Büros in Gewerbegebieten leer stünden. Doch Wohnen sei dort verboten, und so könne man sie den Flüchtlingen nicht anbieten. Auch Anne Franke (Grüne) wusste von Familien, die ein oder zwei Zimmer zur Verfügung stellen würden. Diese Hilfe sei jedoch nicht erlaubt. Eine vorübergehende Duldung könnte "dem Landkreis ein wenig Luft verschaffen", so Fink. Roth versicherte, die Regierung denke bereits über Ausnahmen nach. Auch Statik und Brandschutz seien oft ein Problem.

"Es geht nicht, dass man die Kommunen so allein lässt", klagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Es geht um eine gesamtstaatliche Verantwortung." Angesichts der schnell steigenden Flüchtlingszahlen müsse Bayern mehr machen, forderte sie. Der Kreistag solle Unterstützung einfordern. Roth stimmte ihr zu: "Irgendwann geht's nicht mehr." Der Verteilungsschlüssel nach der Steuerkraft sei so nicht beizubehalten. Die meisten Flüchtlinge würden nach Oberbayern geschickt, obwohl in Nordbayern Häuser leer stünden.

Probleme mit der Situation haben auch Gemeinden und Bürger. Inning bekommt demnächst Flüchtlinge. "Wir wissen nicht, was wir bieten müssen? Gibt es Tipps? Und wie lange bleiben die Flüchtlinge?", fragte Barbara Wanzke (Grüne). Eine Broschüre sei in Arbeit, sagte der zuständige Bereichsleiter Christoph Stein. Aber wie lange die Leute bleiben, wisse man nicht.

Um sich gegenseitig besser unterstützen und haftungsrechtliche Fragen klären zu können, fordern die Helferkreise eine bessere Vernetzung. Die vierteljährlichen Treffen im Landratsamt sind inzwischen zu wenig. Das Koordinationszentrum Bürgerschaftliches Engagement im Landkreis Starnberg will dies nun übernehmen.

Viele Bürger seien zwar hilfsbereit, manche aber nutzten die Situation aus, indem sie ihren Sperrmüll vor einer Unterkunft abladen, berichtete Bernd Pfitzner (Grüne). Andere liefen ungefragt und völlig ungeniert in die Zimmer der Flüchtlinge und monierten, dass diese nicht geputzt seien. Wieder andere seien verängstigt wegen Ebola, sagte Pfitzner. Er schlug vor, mehr Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Zwei Begegnungsfeste hätten die Flüchtlinge für ihre Nachbarn veranstaltet, entgegnete Tutzings Bürgermeister Rudolf Krug. Peter Unger (Grüne) beklagte, dass ein Hausmeister für alle zu wenig sei. Eine Familie mit vier Kleinkindern sei neulich im Kalten gestanden, weil die Heizung nicht lief. Unzumutbar sei auch, dass ganze Familien und ihre Helfer für den Unterhalt mit dem ÖPNV nach Starnberg fahren müssten, klagte er. Dies sei schon eine finanzielle Frage. Roth versprach, man werde darüber nachdenken, die Asylbewerber direkt mit Geld zu versorgen.

© SZ vom 14.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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