Flächennutzungsplan:Kiesgrube einfach übersehen

Lesezeit: 2 min

Eigentlich sollte eine Gemeindeverwaltung wissen, wo Abbauflächen auf ihrer Flur liegen und neu dazukommen. Nicht so in Weßling: Dort hat man ein Areal vergessen, aus dem schon Material gewonnen wird

Von Wolfgang Prochaska, Weßling

Im westlichen Teil des Landkreises Starnberg gehören Kiesgruben und die dazu gehörenden Anlagen zum Landschaftsbild. Besonders auf Weßlinger Flur ist die Kiesgrubendichte hoch, nicht immer zur Freude der Anwohner und der dortigen Gemeinderäte. Entsprechend streng achtet die Kommune in Abstimmung mit dem Landratsamt darauf, dass die Besitzer der Kiesflächen auf Bodendenkmäler achten und Trinkwasserschutzgebiete verschonen.

Was sich aber am Dienstagabend im Weßlinger Gemeinderat abspielte, war auch für dieses Gremium neu: Als es um neue Kiesabbauflächen im Gemeindegebiet östlich des Ortsteils Hochstadt ging und Bürgermeister Michael Muther den Flächennutzungsplan präsentierte, traute Vizebürgermeister Michael Sturm seinen Augen nicht. "Fehlt da nicht eine Kiesgrube auf dem Plan?", fragte er. In der werde ja schon abgebaut. Er konnte auch genau ihre Lage beschreiben. Betretenes Schweigen am Tisch der Verwaltung.

Gerade hatte noch Sebastian Neudecker vom Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum in der Sitzung die Einzelheiten erläutert. So umfasse das neue Gebiet neun Hektar, es gebe darauf keine Bodendenkmäler, und auch ein Biotop werde nicht berührt. Zudem müsse kein Wald abgeholzt werden, wie an anderer Stelle im nördlichen Bereich von Weßling an der Lindauer Autobahn A 96. Es dauerte ein bisschen. Dann rückte Bürgermeister Muther mit der Wahrheit heraus. Sehr leise sagte er, dass das Landratsamt Starnberg die von Sturm benannte Abbaufläche übersehen habe. Deshalb sei sie nicht eingezeichnet.

Sturm, der nicht nur stellvertretender Rathauschef ist, sondern auch ein erfolgreicher Unternehmer, wunderte sich sehr: "Das ist jenseits von meinem Verständnis. Puh, das ist übersehen worden." Neudecker vom Planungsverband bestätigte: Es sei tatsächlich ein Versehen.

Nicht allen Gemeinderäten war bei dieser Sachlage wohl. Klaus Ebbinghaus meinte: "Da kann der Grubenbesitzer ja fröhlich weiter ausbeuten." Er machte den Vorschlag, die Fläche möglichst schnell in den Flächennutzungsplan zu integrieren, da er die Befürchtung hatte, dass sonst ohne weitere Auflagen Kies abgebaut werden könne. Dies ist allerdings nicht der Fall. Denn selbst wenn die Fläche nicht in einem Plan verzeichnet ist, wird der Kiesabbau per Betriebsgenehmigung geregelt. Darauf machte Neudecker aufmerksam.

Damit ist der Fall aber nicht ausgestanden. Denn das Landratsamt sieht sich nicht in der Alleinschuld. "Es gab einen Antrag auf Vorbescheid, den wir und die Gemeinde erhalten haben", sagte Stefan Diebl, Pressesprecher der Kreisbehörde, auf Anfrage am Mittwoch. "Wir haben also die Kiesgrube gemeinsam übersehen." Er riet den Weßlingern, nachträglich die Flurnummer als Kiesabbaufläche in den Nutzungsplan einzuarbeiten. Diesen Weg will die Gemeinde nun beschreiten. Allerdings wusste die Verwaltung am Dienstagabend noch nicht, welche Nummer das Grundstück hat und wie genau seine Lage und seine Größe ist. Dies muss noch recherchiert werden.

Der scheidende Gemeinderat und ehemalige Kirchenpfleger Willibald Karl, der grundsätzlich kritisch ist, wenn Kies-Unternehmer die Zahl der Abbauflächen vergrößern wollen, da er Bodendenkmäler in Gefahr sieht, lächelte diesmal nur.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: