Feldafing:Von Zecken und Hausmeistern

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Martin Schmitt mit "Von Kopf bis Blues" in Feldaing

Von PATRIZIA STEIPE, Feldafing

Nachdem Jazz-Pianist Pete Johnson seinen Boogie Woogie 1938 in der ehrwürdigen Carnegie Hall gespielt hatte, musste man das begeisterte Publikum aus den Kronleuchtern zurückholen. So habe es zumindest damals ein Reporter geschrieben. Martin Schmitt erzählt diese Anekdote gern, und man merkt dem Boogie-Woogie-Tastenvirtuosen an, dass er zu gerne damals ebenfalls Pianist gewesen wäre. Heute muss sich der Weßlinger Musiker mit dem eher betagten Bildungspublikum zufrieden geben, das zwar unbestritten begeistert von Schmitts Performance ist, einen Kronleuchtersprung angesichts diverser Rücken- und Beinleiden aber nicht wagen würde.

Im Feldafinger Bürgersaal stellte sich die Frage sowieso nicht. Hier gibt es keine Kronleuchter; hinter der Künstlergarderobe ist sich das Standesamt, und statt an der Wand die Portraits diverser Jazz-Größen vorzufinden, fällt der Blick auf ein gerahmtes Foto von Bundespräsident Joachim Gauck. "Von Kopf bis Blues" hieß das Programm, mit dem Martin Schmitt für "Jazz am See" den Saal füllte. Der anfangs erwähnte Boogie Woogie ist übrigens eines seiner Paradestück, das auch im 30. Jahr seiner Bühnenkarriere nicht fehlen durfte, genauso wenig wie der "Fingerbreaker" von Jelly Roll Morton, ein extrem schnelles Stück, das perfekt zum Eindruckschinden geeignet war. Vor allem, wenn es so lässig und nonchalant gespielt wurde wie von Schmitt. Dessen Finger fanden die Tasten scheinbar automatisch, schließlich war der Pianist damit beschäftigt, den einen im Publikum zuzuzwinkern oder den anderen streng zu mustern.

Vom reinen Konzertpianisten hat sich Schmitt längst entfernt. Sein komödiantisches Talent gepaart mit den jahrelangen Erlebnissen auf seinen Konzertreisen ergaben ein Musikkabarett der besonderen Art. Die Eigenkompositionen in bayerischer Mundart setzten dem Ganzen noch ein Sahnehäubchen auf. Und dann hatte das Multitalent auch noch seinen Gedichtband mitgebracht. Schmitts Zeilen über "Viecher, die die Welt nicht braucht" - von der Zecke bis zur Obstfliege - würden dem ebenfalls in Weßling beheimateten Gedichtpapst Anton G. Leitner gefallen. Am Besten sind aber immer noch die Sachen, die das Leben selbst geschrieben hat. Vor allem von seinen Begegnungen mit den diversen Hausmeistern der Nation, die von Veranstaltern gerne anstelle professioneller Tontechniker bereit gestellt werden, konnte Schmitt ein Lied singen. Während der eine in ihm den gleichnamigen Skispringer zu erkennen glaubte, der es jetzt "mit Piano probiert", teilte ihm der andere mit, dass - "ja" - die Beleuchtungsanlage durchaus über verschiedene Einstellungen verfügt, als da wären "ein" und "aus" und dass statt des versprochenen Flügels ein "nussbraunes Kleinklavier" zur Verfügung stünde, dass noch "hergerichtet" werden müsse. Verstimmt? "Ich hör nix" sei die Standardantwort der Helfer. Mit dem kleinen Steingräber-und-Söhne-Flügel aus der Bayreuther Klaviermanufaktur konnte Schmitt aber zufrieden sein: Kein falscher Ton beeinträchtigte in Feldafing die Irrsinnsläufe, und der Klang war klar.

Schmitt tritt zwar solo auf, holt sich bei seinen Konzerten aber gerne das Publikum zur Verstärkung. Die Feldafinger grölten denn auch brav die geforderten Refrains erst im Bass, dann wieder im Falsett, vollendeten Liedzeilen, klatschten und schnipsten den Rhythmus, sprangen artig zu den gesanglich geforderten Standing Ovations auf. Nur das mit dem Ausziehen und den BHs, die auf die Bühne fliegen sollten, das hätte noch ein wenig geübt werden müssen.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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