Feldafing:Die Waffen-Familie

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Filmgespräch in Feldafing: Schauspieler Udo Wachtveitl, Regisseur Daniel Harrich und Ulrich Spies (von links), langjähriger Chef des Grimme-Preises. (Foto: Xaver Fuchs)

Die Reihe "Kino & Vino" feiert Premiere mit Daniel Harrichs investigativem Film "Meister des Todes"

Von Gerhard Summer, Feldafing

So eine Weihnachtsfeier in der Waffenfirma hat schon was Bezauberndes. Das Unternehmenslogo HSW prangt sehr rot an der Wand, der Chef spricht davon, dass der Friede kostbar ist, und der Werkskinderchor singt. Danach dürfen noch die zwei Mexiko-Experten auf die Bühne, die den großen Deal eingefädelt haben, Alexander Stengele (Heiner Lauterbach) und Peter Zierler (Hanno Koffler). Ja, es sei toll gelaufen, meint Zierler, der das Sturmgewehr in Nordamerika vorführte.

Aber dann passiert etwas, das nicht zur Sektstimmung passt: In Guerrero seien zwei wehrlose Studenten "mit unserem Gerät erschossen worden", sagt Zierler. Und zu Stengele und dem Publikum gewandt: "Du hast es doch auch gesehen, ihr wisst es doch alle!" Geschäftsführer Heinz Zöblin (Alex Milberg) rettet die Situation, er stellt sich zu den beiden und bittet scheinheilig um ein Foto. Das Bild dürfte charakteristisch sein für den Umgang in dieser Pseudofamilie: eine verlogene Umarmung, die bald zur Umklammerung wird.

Daniel Harrich ist 2015 mit "Meister des Todes" und der dazu gehörigen Doku ein Coup gelungen: Sein investigativer Spielfilm deckte illegale Waffengeschäfte von Heckler & Koch in Mexiko und die Verstrickung von Beamten vorwiegend des Bundeswirtschaftsministeriums auf. Harrich erreichte, was man als Regisseur und Rechercheur nur erreichen kann: Der Film bekam den Grimme-Preis, wurde im Bundestag gezeigt und rief die Ermittler auf den Plan. Drei große Verfahren seien derzeit im Gange, sagte Harrich, der am Sonntag mit seinem Schauspieler Udo Wachtveitl zur Vorstellung des Thrillers in der neuen, kleinen Reihe "Kino & Vino" nach Feldafing gekommen war. Auch Harrich selbst geriet ins Visier eines Staatsanwalts. Doch eine "kluge Richterin" am Oberlandesgericht München habe die Klage abgewiesen.

Wer die Hintergründe nicht kennt und "Meister des Todes" als puren Spielfilm sieht, könnte trotzdem enttäuscht sein. Denn Harrich muss die komplexe Handlung in 90 Minuten pressen, ihm bleibt keine Zeit, seine Charaktere zu entwickeln. Trotz exzellenter Besetzung wirkt der Krimi deshalb wie eine mühsam aufgetakelte Doku voller Klischees. Doch tatsächlich sind diese Klischees die ganze Wahrheit: "Alles, was zu sehen ist, ist so oder schlimmer passiert", sagte Harrich im anschließenden Gespräch mit Ulrich Spies, dem langjährigen Chef des Grimme-Preises. In der Figur des Peter Zierler fasste der Regisseur die Geschichten von drei Aussteigern zusammen, die von der sogenannten Familie geschasst und fertiggemacht worden seien. Dieser Peter lebe heute, sagte Harrich, aber es gehe ihm nicht gut.

Mit am beeindruckendsten an der Diskussion im mäßig gefüllten Bürgersaal war, dass Wachtveitl und Harrich weiten Abstand von Schwarzweiß-Zeichnungen hielten. Natürlich könne jeder sagen, die Welt wäre so schön ohne Waffen, sagte Wachtveit, aber die Realität sei nun mal eine andere. Und er sei froh, dass die alliierten Truppen einst Waffen hatten, um den Nazi-Spuk in Deutschland zu beenden. Harrich wiederum erklärte, er habe Mitarbeiter von Heckler & Koch getroffen, die ihm sehr wohl sympathisch gewesen seien als Menschen. Ob er Angst habe?, wollte Spies wissen. Schließlich lassen Journalisten in anderen Ländern für Recherchen über die Waffenlobby ihr Leben. Nein, antwortete Harrich. Nur einmal war er frustriert: als der gegen ihn ermittelnde Staatsanwalt seine persönliche Adresse zu den Unterlagen habe geben wollen, die Hecklers & Kochs Anwälte hätten einsehen können.

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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