Feldafing:Aus einem Guss

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Das Soskin Quartet bei Jazz am See

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Es ist die erste Europa-Tour, die der schmächtige, auch außerhalb der Bühne offen auf sein Publikum zugehende Jazzpianist Mark Soskin aus Brooklyn derzeit absolviert. Mit dem kurzen Abstecher nach Feldafing während der Schweiz-Runde eröffnete sein Quartett die neue Saison von Jazz am See im Rathaus-Bürgersaal, der sich etwas zögerlich füllte. Ausreichend für eine gute Club-Atmosphäre, wenn es auch ein paar Minuten dauerte, bis das Publikum gefühlsmäßig im Saal angekommen war. An der Musik konnte es wohl kaum gelegen haben, lieferte doch die Zusammenstellung des Quartetts vom ersten Ton an eine aparte Mischung aus ansprechenden und besonders packenden Jazzrichtungen.

Man konnte hier gespannt sein, welche stilistische Ausrichtung die Formation einschlagen würde, ist die musikalische Herkunft ihrer Mitglieder doch recht unterschiedlich. Der Schweizer Gitarrist Roberto Bossard am halbakustischen Instrument leugnet seine Verwurzelung im traditionellen Jazz nicht. Es durfte schon mal swingen, vom Klang her durchaus auch zigeunerisch-temperamentvoll daherkommen oder in Balladen singen, wie man es eher vom Rock her kennt. Sein Landsmann und Mitspieler in anderen Formationen, Elmar Frey am Schlagzeug, sieht sich in erster Linie dem Contemporary Bop verpflichtet. Gerade in den solistischen Passagen mit intensiven Trommelattacken wurde sein spannungsgeladener und drängender Duktus deutlich. Einem gänzlich andersgearteten Kontext entstammt indes der französische Kontrabassist Gildas Boclé, der verlässlich eine kraftvolle, solide Basslinie unterlegte. In den Soli klang es dann schon anders, zumal Boclé dabei meist zum Streichbogen griff. Im Duo mit seinem Bruder am Vibraphon ist er einem Mix aus keltischer Musik, Jazz und Rock verpflichtet, doch hier flocht er schon mal satte, rockige Intensität ein.

Dennoch stand Soskin, der seinerseits noch Latin ins Spiel brachte, im Zentrum, auf das sich all die individuellen Nuancen zu beziehen vermochten. Nicht ohne Rückkoppelung, die Soskin lieferte, indem er gewandt einzelne Ideen seiner Mitspieler aufgriff. Faszinierend, wie geschickt er die stilistischen Charakteristika homogen zu verarbeiten wusste und die Fäden in der Entwicklung der einzelnen Stücke in der Hand behielt.

Vom Repertoire her ging es vor allem um die neue CD mit dem Titel "Atlantic Crossing", mit Kompositionen Bossards, Soskins und Boclès. Aber auch ein paar Raritäten, die teilweise nicht auf der CD zu hören sind, fanden im Überraschungsprogramm Platz. So etwa der gute alte Country-Song "Tennessee Waltz", der mittlerweile in jeder musikalischen Gattung zu finden ist.

Reichhaltiges Material für Experimente lieferte dann vor allem der Titel "Bebê" des brasilianischen Multiinstrumentalisten und Avantgardisten Hermeto Pascoal, in dem Soskin sogar groteske atonale Grenzgänge wagte. Trotz der schlichten Thematik mit einem wirbelnden Motiv auf engstem Raum entwickelte sich hier eine rhapsodische Erzählung von ausschweifenden Höhenflügen. Immer wieder erklangen aber auch seelentief berührende Balladen, wie etwa "Blackberry Winter" von Alec Wilder, auf dessen musikalisches Material Keith Jarrett mit Vorliebe zurückgreift.

Davon, dass sich die Band auf einer Schweizer Tour befand, zeugte vor allem die kurios betitelte Nummer "So lieblig und still" des Schweizer Jazzkontrabassisten Hans Schläpfer, der augenzwinkernd mit beschwingter Gemütlichkeit behaglich wärmte. Die Zugabe gehörte dann aber doch noch einem ordentlich krachenden Bebop.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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