Exkursion:Im Land der Orchideen

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Das Aubachtal zwischen Hochstadt und Seefeld bewahrt im oberen Bereich viele pflanzliche Schätze. Mitglieder des Weßlinger Bund Naturschutz pflegen und erhalten sie seit 30 Jahren

Von Wolfgang Prochaska, Weßling

Walter Follner wird bald 80 Jahre alt. Das heißt in diesem Fall aber nichts. Seit gut eineinhalb Stunden ist der Weßlinger Naturschützer im Aubachtal unterwegs, aber noch immer ist sein Elan ungebrochen. Jetzt sowieso, denn Follner zeigt den 30 Teilnehmern des Abendspaziergangs das wohl dichteste Orchideenfeld im ganzen Landkreis. Die Wiese leuchtet in den Farben des Knabenkrauts, ein dunkelblaues, purpurnes Leuchten, und alle, die Follner auf schmalen Pfaden über Wiesen und Wald gefolgt sind, zeigen sich begeistert, ja fast überrascht von so viel Schönheit.

Im Gänsemarsch durch die Natur: Der Bund Naturschutz bietet regelmäßig Sightseeing-Touren in Sachen Pflanzenkunde an. (Foto: Wolfgang Prochaska/oh)

Follner hat bei dieser Exkursion, bei der auch die früheren Weßlinger Gemeinderäte Rudi Burger und Rupert Schmidt mitgehen, noch mehr Überraschungen parat. Das obere Aubachtal ist mehr Biotop als landwirtschaftlich genutzte Fläche, was man wiederum Rudi Burger und dem Hochstadter Bio-Landwirt Norbert Grenzebach zu verdanken hat. Es wachsen südlich von Hochstadt unter anderem das fleischfarbene Knabenkraut, die Lichtnelke, das Laabkraut, die Schwarze Akelei, die Teufelskralle, die Kuckuckslichtnelke, der Enzian und sogar das äußerst seltene Brandknabenkraut. Drei Exemplare gibt es nur. Natürlich kennt Follner die genauen Standorte, deshalb führt die Sightseeing-Tour in Sachen Pflanzenkunde auch über sumpfiges Grasland und kleine Rinnsale. "Aber bitte im Gänsemarsch gehen und nicht versinken", mahnt Walter Follner, der jedes Jahr zu solchen Ausflügen als Mitglied des Bundes Naturschutz einlädt.

Sogar Molche gibt es im Plonner Moos. (Foto: Wolfgang Prochaska/oh)

Was hier wächst, grenzt an ein kleines Wunder. Und dieses Wunder hat man eben jenem Rudi Burger zu verdanken, der schon in den Achtzigerjahren begann, am Aubach Wiesenflächen zu kaufen oder zu pachten, mit dem Ziel, sie als Biotop zu erhalten oder wieder zu Biotopen zu machen. An jener Stelle, auf der Tausende Orchideen gerade blühen, stand Mais und erst nach zehn Jahren intensiver Pflege ist daraus ein Biotop geworden. "Wir haben es über die Jahre gemäht, bis der Boden ausgemagert war", erzählt Follner. Auch über die Eiche, die mitten in der Wiese steht, weiß er eine schöne Geschichte. Ursprünglich hatten die Weßlinger hier ihr kontaminiertes Gras nach dem Tschernobyl-Unfall zu einem Haufen aufgeschlichtet. Die Strahlung des Grashaufens wurde jedes Jahr gemessen und irgendwann gab man Entwarnung.

Walter Follner vom Weßlinger Bund Naturschutz kennt das Auchbachtal und seine Besonderheiten. (Foto: Wolfgang Prochaska/oh)

Follner und seine Naturfreunde pflanzten danach drei Eichen. Eine hat es zu einem ausgewachsenen Baum geschafft. Auf die Naturschützer geht auch die riesige, inzwischen drei Meter hohe Hecke am Rande des früheren Flachmoores zurück. Auch diese wurde vor 30 Jahren angelegt. Die Wandergruppe steht auf einer alten Landschaft, deren Artenreichtum ungewöhnlich groß ist und bis zu den unzähligen Grashüpfern und dem Molch reicht, der sich gerade ohne Scheu in einem schmalen Rinnsal zeigt, als hätte ihn die Neugierde rausgetrieben. Einziger Wermutstropfen: Während sich früher unzählige freiwillige Helfer zum Mähen mit der Sense einfanden, waren es beim letzten Mal nur noch drei. Da sah auch der Naturidealist Follner ein, dass er auf technische Hilfe in Form von Balkenmähern zurückgreifen muss. Dies machen im Juli und September die beiden Landwirte Johann Ludwig aus Meiling und Norbert Grenzebach für ihn. Grenzebach ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie man eine Wiese nutzen und dennoch die Artenvielfalt bewahren kann.

Diese Flatterulme ist mehr als 200 Jahre alt. (Foto: Wolfgang Prochaska/oh)

Gleich am Anfang der Exkursion geht man an der Grenzebach-Wiese vorbei, mit der der Hochstadter Biobauer den ersten Preis bei der Wiesenmeisterschaft 2013 gewonnen hat. Der Bund Naturschutz und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) betreiben diesen Wettbewerb als Gemeinschaftsprojekt. Auf der Salbei-Glatthaferwiese in Hanglage, wie sie Follner kategorisiert, wachsen 50 verschiedene Kräuter und Leguminosen. Wegen ihres großen Blütenreichtums und der Sorgfalt, mit der Grenzebach die Beweidung und Mahd plant, sodass Jahr für Jahr noch mehr Arten dazu kommen, erhielt er die Auszeichnung. Unter anderem wachsen darauf Wiesen-Salbei, Flockenblume, Margerite, Wiesen-Kümmel, Fingerkraut, Klee und Glockenblumen.

Auch Brandknabenkraut wächst in der Gegend zwischen Hochstadt und Seefeld. (Foto: Wolfgang Prochaska/oh)

Dies alles wächst neben dem Aubach, der im Plonner-Moos entspringt und in seinem oberen Teil wirklich sauber ist. Selbst Krebse finden sich noch in dem Gewässer. Das Besondere ist, darauf weist Follner gleich mehrmals hin, dass es sich um eine Hartholz-Aue handelt, wo keine weichen Weiden wachsen, die sonst üblich sind für eine Auenlandschaft. Warum nur Harthölzer wachsen, weiß auch Follner nicht. Die Flatterulme, die an der Weggabelung steht und mehr als 200 Jahre alt ist, bevorzugt Auen und verträgt auch Überschwemmungen. Gut 30 Meter dürfte der Baum hoch sein, der wie ein übergroßes Wegzeichen da steht. Vom Fichtenwald, der einst am Aubach stand, ist keine Spur mehr zu sehen. Die Stürme in den vergangenen Jahrzehnten haben die Fichten entwurzelt. Neuer Wald kam alleine hoch und siehe da, es war Laubwald. "Der Samen ist angeflogen, wir haben da nichts gemacht. So einfach ist das manchmal", sagt Follner.

Die mehr als zweistündige Wanderung endet an einer unscheinbaren Wiese, die sich aber als Hangmoor herausstellt, auf der Silberklee wächst. "Leider sind heuer durch den starken und späten Frost die Blüten erfroren", erzählt Follner. Seit 1982 wird die Wiese gepflegt und regelmäßig gesenst. Die Ruhe wird jetzt von einem landenden Businessjet unterbrochen, der am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen niedergeht. Die Welt hat uns wieder.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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