Dießen:Jodel-Fans unter sich

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Jodellehrerin Heidi Clementi beginnt den Unterricht zunächst mit Entspannungsübungen. Hündin Mia liegt brav in der Mitte. (Foto: Thiel)

"Ho-lo-di-djo-ti-di-ri-o": Von einer Wiese in Dießen sind am Wochenende eigentümliche Töne zu vernehmen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Dießen

Die Hündin Mia liegt entspannt da. Hin und wieder spitzt sie die Ohren. Mia gehört zu den rund 20 Teilnehmern, die am Wochenende auf dem Gelände des Heimat-Trachtenvereins Dießen den Schatzberg-Jodel-Kurs besuchten. Mia ist ein leidenschaftlicher Jodel-Fan. Sie war schon dabei, als der Kurs vor vier Jahren vom Heimat- und Trachtenverein zum ersten Mal angeboten wurde. Sobald die Kursteilnehmer einen Kreis bilden und die ersten Aufwärmübungen machen, legt sich Mia brav in die Mitte. Sie steht höchstens auf, wenn gelacht wird. Und gelacht wird viel beim Jodeln, vor allem, wenn einer der Teilnehmer wieder einmal über die Silben stolpert. Es ist ja gar nicht so einfach sich einen sprachfreien Text, wie das "Ho-lo-di-djo-ti-di-ri-o" zu merken und sich gleichzeitig darauf zu konzentrieren, wann die Kopf- und wann die Bruststimme eingesetzt wird. Daher fängt Jodellehrerin Heidi Clementi zunächst mit Entspannungsübungen an. Den Anfängern unter den Teilnehmern soll die Scheu genommen werden, ihre Kopfstimme zu gebrauchen. Clementi, die Jodelkurse im gesamten Alpenraum anbietet, weiß aus Erfahrung, wie groß die Angst der Anfänger vor dem Klang ihrer eigenen Stimme ist. Doch die studierte Pädagogin und Sozialwissenschaftlerin kann schüchterne Teilnehmer beruhigen. "Jeder kann jodeln lernen", davon ist sie überzeugt. Man müsse nicht einmal Singen können. Im Gegenteil, "manchmal ist es leichter, wenn man nichts weiß", erklärt sie. Als Südtirolerin wurde in Clementis Familie regelmäßig gesungen und Volksmusik gespielt. Jodelkurse gab es damals nicht. Man hat es entweder zusammen mit dem Musizieren in der Familie gelernt oder man hatte es sich selbst beigebracht. Clementi selbst hat erst vor acht Jahren das Jodeln gelernt und seither hat es sie nicht mehr losgelassen. Und sie arbeitet mit ganzem Körpereinsatz. Wenn sie etwas erklärt, breitet sie die Arme aus und geht in die Knie, um die richtigen Laute zu unterstreichen.

Nach Angaben des Musikers und Kursteilnehmers Johannes Sift ist dieser Wechsel von Kopf- und Bruststimme auf der ganzen Welt verbreitet. "Es ist ein weltweites Phänomen", das beim schwarzen Blues ebenso vorkomme, wie in Finnland oder beim "American Jodeln". Sift glaubt, dass damit von jeher Musik nachgeahmt wurde, wenn Menschen kein Instrument hatten: "Es ist ein Spiel mit Emotionen."

Magnus Kaindl, Vorplattler und Vortänzer im Trachtenverein, und Beate Bentele haben das Kursangebot vor vier Jahren nach Dießen gebracht, nachdem sie selbst einen Jodelkurs bei Clementi besucht hatten. Der Kurs wurde von Anfang an sehr gut angenommen, es gibt jedes Jahr lange Wartelisten. "Man kann von einem Trend sprechen", sagt Kaindl, der selbst jedes Jahr mitmacht. Ihm gefällt das Kraftvolle am Jodeln. "Es ist kein Singen, eher ein Rufen", sagt Kaindl, und es gebe starke regionale Unterschiede, wie bei den Dialekten. Das alpenländische Jodeln beispielsweise habe sehr hohe Sprünge, in Wien indes werde melodisch "gedudelt". Weil das Jodeln an keine Sprache gebunden ist, ist es seiner Meinung nach international und dient der Völkerverständigung. Mit der Verständigung klappt es offenbar auch bei Hündin Mia. Am Anfang versucht sie mitzujodeln. Aber das kommt nicht so gut an. Sie wird aus dem Kreis verbannt und darf erst wieder in die Mitte, als sie mucksmäuschenstill ist.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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