Dießen:Himmel und Hölle im Taubenturm

Lesezeit: 2 min

In der Dießener Ausstellung ist Mail Art aus aller Welt zum Thema "Angels & Demons" zu sehen

Von Katja Sebald, Dießen

No jury, no fee, no return, doc to all. So lauten die eisernen Grundregeln im weltweiten Mail-Art-Netzwerk. Niemand wird ausjuriert, es fließt kein Geld, es wird nichts zurückgeschickt und alles für alle dokumentiert. Und so bekamen Cristina und Jürgen Oliver Blank als Antwort auf ihren "Call" im Oktober 2013 über ein Jahr lang Postkarten, Briefe und Päckchen aus aller Welt: Insgesamt 362 Künstler aus 45 Ländern sind dem Aufruf der beiden Künstler aus Wörthsee gefolgt und haben ihnen Arbeiten zum Thema "Angels & Demons" geschickt. Bis aus Neuseeland und aus Uruguay kamen die Einsendungen, in der Türkei beteiligten sich ganze Schulklassen. Jetzt sind sie alle in einer Ausstellung im Dießener Taubenturm zu sehen.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ob braver Engel ...

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

... dämonischer Engel ...

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

... oder Belzebub mit Heiligenschein - in der Mail-Art-Ausstellung in Dießen sind alle Spielarten zwischen Himmel und Hölle zu finden.

Mail Art ist Kunst per Post. Sie ist ein Kind der Sechzigerjahre, und sie ist wie die Pop Art eine demokratische Kunst, die sich abseits des etablierten Kunstmarkts entwickelte und diesen in Frage stellt. Ihre Ursprünge liegen in der durch Ray Johnson gegründeten New York Correspondance School, einem Netzwerk künstlerischer Briefwechsel im Umfeld von Neo Dada, Fluxus, Pop Art und der New Yorker Kunstszene. Lange vor der Erfindung sozialer Netzwerke war Mail Art eine soziale Netzwerkkunst, die sich selbst reflektiert und Denkanstöße liefern will, die eigene künstlerische Identitäten und virtuelle Personen hervorbringt. Sie ist eine für jeden offene Gemeinschaft, in der man sich auf dem Postweg Kunstwerke zuschickt. Auch wenn natürlich auch die Mail-Art-Communitiy sich mittlerweile über das Internet austauscht, so schickt man die Kunst per "snail mail", per Schneckenpost also. Mail-Art-Künstler verweisen darauf, dass nur per Post Originale versandt werden können und so beim Empfänger "ein direkter sinnlicher und visueller Eindruck" entstehen kann.

Die Initiatoren der Schau "Angels & Demons", Cristina und Jürgen Oliver Blank, sind selbst kreativ. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Voll von solchen direkten und überaus sinnlichen Eindrücke sind nun die drei verwinkelten Geschosse des Dießener Taubenturms, der ohnehin schon ein Ort wie aus einer anderen Welt ist. Dicht an dicht sind die Wände bedeckt mit briefmarkenähnlichen Bildchen, winzigen Zeichnungen und Kritzeleien, Collagen und zusammengenähten Objekten, übermalten Fotos und kunstvoll verzierten Postkarten. Bei manchen Einsendungen war schon die Verpackung ein wahres Kunstwerk, sodass sie jetzt gleich mit ausgestellt wird. Immer wieder gibt es Bildpaare mit Engeln und Teufelchen, wie auf gotischen Flügelaltären wird das Gute dem Bösen, das Dunkle dem Hellen, das Tugendhafte dem Sündigen gegenüber gestellt, hier aber oftmals in der Bildsprache von Comics. Oder aber es gibt das neckische Teufelchen mit dem sanften Augenaufschlag und daneben das rosagewandete, aber zähnefletschende Engelchen. Noch reizvoller sind freilich die Darstellungen, die Engelhaftes und Teuflisches in einer einzigen Person vereinen: Natürlich sind diese "Demonic Angels" weibliche Personen, die verführerisch und lasterhaft zugleich sind. Es gibt aber auch "Hell Bank Notes" und unsichtbare Schatten von Engeln zu bestaunen. Hat man sich durch diesen kuriosen und bezaubernden Kosmos aus kleinen Bildgeschichten hindurch "gelesen" und ist im obersten Turmstübchen angekommen, gibt es noch einmal eine überraschende Steigerung: Aus Litauen erreichte Cristina und Jürgen Oliver Blank ein Päckchen mit Original-Radierungen - atemberaubend feingliedrige und ungemein fantasievolle Darstellungen, die das Thema beinahe in der Art der berühmten Caprichos umfangen.

Die Ausstellung "Angels & Demons" ist noch bis zum 21. Juni 2015 jeweils samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr im Dießener Taubenturm zu sehen.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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