Dießen:Die Kinder des Prometheus

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Mindestens drei in schwarz gekleidete und maskierte Spielerinnen halten die riesigen Figuren und bewegen sie in einer wiegenden Choreographie. (Foto: Fuchs)

Bildgewaltig inszeniert der Salzburger Theaterkünstler Georg Jenisch Carl Orffs Oper: Riesengroße Stabfiguren, die sehr eindrucksvolle Gesichter und gigantisch große Hände haben, begeistern das Publikum in Dießen. Karfreitag auch in München

Von Katja Sebald, Dießen

Der graugekrümmte Körper des gefesselten Prometheus, die duftig weißen und quallenzarten Okenaiden, die vor Schmerz schreiende, von der eifersüchtigen Hera verfolgte Io auf der gelb durchleuchteten Bühne und dann ihre Verwandlung in die stolze Isis, die aus ihrem rotseidenen Körper den Epaphos gebärt - das alles sind starke, wirkmächtige Bilder, an denen Carl Orff wohl seine Freude gehabt hätte. Georg Jenisch brachte den Orffschen "Prometheus" am vergangenen Wochenende im Dießener Augustinum als Figurentheater mit weit überlebensgroßen Puppen auf die Bühne, bevor das Stück am Karfreitag auch in der Allerheiligen-Hofkirche in München zu sehen sein wird.

Die Oper "Prometheus" wurde 1968 in Stuttgart uraufgeführt, entstanden ist sie in Dießen, wo Orff ab den sechziger Jahren und bis zu seinem Tod lebte. Der durchgängig altgriechische Text basiert auf einer Vorlage von Aischylos, dem einzig überlieferten Teil der Prometheus-Trilogie mit dem Titel "Der gefesselte Prometheus". Anders als etwa in den "Carmina Burana", die Orff berühmt machten, ergibt sich die Dynamik und Ausdruckskraft hier nicht aus dem Rhythmus der Sprache, im Gegenteil, der Text scheint sich gegen die Vertonung zu sperren, es entstehen erregte, expressive Klangbilder. Der aus Salzburg stammende Komponist, Figurenbauer und Theaterkünstler Jenisch hat die eigentlich zweieinhalb Stunden lange Oper auf neunzig Minuten gekürzt und mit Musik vom Band so inszeniert, dass es aus der Kraft seiner Bilder entsteht.

Das Stück handelt von der mythologischen Figur Prometheus, der die Menschen liebte, ihnen das Feuer gab und sie in allerlei Künsten unterwies. Damit stellte er sich jedoch gegen den Willen der Götter. Er wurde von Zeus bestraft, indem er ihn an einen Felsen fesseln ließ und grausam quälte. Der vor Schmerz schreiende Prometheus erregt das Mitleid der Töchter des Meeresgottes, auch Oceanos selbst eilt auf seinem Flügelpferd herbei, um dem Gefesselten zu helfen. Er will sich bei Zeus für ihn einsetzen, sofern er sich künftig dem Willen der Götter beugen will - doch Prometheus lehnt ab. Dann tritt die in eine Kuh verwandelte Io auf, rasend vor Schmerzen. Prometheus weissagt ihr, dass sie als Göttin Isis den Sohn gebären wird, aus dessen Geschlecht der zukünftige Retter des Prometheus und damit der Menschheit hervorgehen wird. Der Mensch verdankt sein Leben einem liebenden Schöpfer, der ihn an zartesten Fäden aufrichtet und ihn die ersten Schritte lehrt. Wir alle sind Kinder des Prometheus, so die Schlusssequenz, als beschützender Vater hat er unsägliche Qualen für seine Kreaturen auf sich genommen.

Licht und Schatten, stark vereinfachte, symbolhafte Darstellungen und vor allem die riesenhaften Stabfiguren, die von bis zu drei Spielern geführt werden müssen: das sind die bildnerischen Mittel, die Jenisch hier einsetzt. Fünf ganz in Schwarz gekleidete und maskierte Spielerinnen unterstützen ihn auf der Bühne, um die kugelförmigen Köpfe oder Masken mit den stark überzeichneten Gesichtern, die mit den ebenfalls riesigen Händen durch wallende schwarze Gewänder, farbige Tücher oder zarte Schleier verbunden sind, zu bewegen, mit großen Gesten einer wiegenden Choreographie folgend. Zusammenfassende Übersetzungen des griechischen Textes werden dabei als "Untertitel" links und rechts von der Bühne an die Wand projiziert, sie dienen aber lediglich der Orientierung. Die bildgewaltige Inszenierung vereint Pathos und Magie, Kitsch und Poesie, es gibt großen Theaterdonner ebenso wie anrührende Momente.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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