Berg:Waschküche

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"Hundling" mit Vorband im Berger Marstall

Von Gerhard Summer, Berg

Partystimmung von Anfang an: Kinder wuseln durch die Sitzreihen, ein Mann im Ringel-T-Shirt tanzt vor der Bühne, schwenkt seinen Strohhut und dreht lange Nasen. Der Sänger der Vorgruppe mischt sich mit Posaune unters Volk, die ersten Mitgrölchöre heben an, und am Ende, nach zwei Hundling-Sets, ist die Tanzfläche gesteckt voll. Kein Wunder, denn im alten Marstall in Berg treten gleich zwei Spaßgruppen hintereinander an: Die Bress Bäänd aus dem Allgäu orientiert sich unüberhörbar am Vorbild La Brass Banda, covert Songs von Robby Williams bis Avicii und bringt mit Balkan-Swing und guter Laune schon mal viel Stimmung in die Bude. Und Hundling, die Antwort des kleinen Mannes auf die Spider Murphy Gang, setzt noch eins drauf und bemüht sich, den 40 Gästen aus dem Zeltlager der Gemeinde bayerische Lebensart auf englisch zu erklären. Schöne Sache.

Dass die Mischung so zündet, ist andererseits auch wieder erstaunlich. Denn der Sound ist grottenschlecht, was an der relativ niedrigen, von Säulen gestützten Gewölbedecke dieses einstigen Pferdestalls liegen muss. Angeblich gab es hier auch schon das ein oder andere gut anzuhörende Popkonzert. Aber an diesem Abend kämpft der Mann am Mischpult vergebens mit dem blubbernden Klangbrei samt Nachhall. Bei der Bress Bäänd fällt das noch nicht so sehr ins Gewicht, weil Trompeten und Posaune besser durch den Matsch dringen. Aber von Hundling ist in den ersten Nummern nur Schlagzeug, der wummernde Bass und so einigermaßen der Gesang zu vernehmen. Die Musiker hören sich auch selbst nicht auf der Bühne und müssen sozusagen blind spielen, wie Bassist Max Keller sagt. Das wird dann irgendwann besser, vielleicht auch weil sich die Ohren an den Waschküchen-Klang gewöhnen, einzig das Keyboard lässt sich nach wie vor schlecht orten. Doch anfangs hört sich das Quintett, das 2015 den Heimatsound-Wettbewerb des BR gewonnen hat, wie eine Schülerband an.

Hundling sind mit ihrem Debütalbum "Ois Chicago" auf Tour, sie decken auch in kleiner Besetzung stilistisch ein weites Feld ab: viel Rock'n'Roll, dazu Rhythm and Blues, etwas Funk, Country und Ska. Musikalisch ist das alles solide, auch wenn die Fünf keine Hexer an ihren Instrumenten sind, das Fundament jedenfalls passt. Keller steuert ein leidenschaftliches Harp-Solo bei, und Phil Höcketstaller, der jetzt eher hölzern Gitarre spielende Ex-Bassist der Babacools mit sympathisch zerknautschtem Gesicht, hat eine prägnante Stimme und ist ein sehr ordentlicher Sänger. Mit Musik im Stil eines J.J. Cale, wie das in den Ankündigungen der Truppe steht, hat das zwar gar nichts zu tun. Aber trotzdem finden sich im Gepäck von Hundling neben ein paar auch angekündigten Coverversionen von den Eagles und Bob Marley bemerkenswert viele Nummern mit Hitpotential, die absolut ins Ohr und in die Beine gehen. Was damit zu tun hat, dass sich Höcketstaller großzügig bei Klassikern bedient. "Probiert hat er's" erinnert stark an "Shake your Tail Feather" von den Blues Brothers, "Es geht ma guad" zumindest passagenweise an Elivs Presleys "Blue Suede Shoes". "Da Hausmoasta" recycelt "Schickeria" von der Spider Murphy Gang, und "Gloane Sachan" ist mehr oder minder eins zu eins Amy Macdonalds "Mr. Rock & Roll". Ob man das jetzt als abgekupfert, als Anleihe oder Reverenz versteht - erklären sollte man es in den Ansagen, vor allem wenn man ein Hundling sein will.

Bei den bayerischen Texten wiederum, die angeblich so etwas wie ein München-Gefühl transportieren sollen, hätte sich der Bandchef doch besser bei anderen umgeschaut. An den Witz der Spider Murphy, die bildgewaltigen Lyrics eines Konstantin Wecker oder an den Sarkasmus eines Helmut Dietl, der mit einem Spruch aus den "Münchner Geschichten" im Titel der Platte zitiert wird, kommen Hundling jedenfalls bei weitem nicht heran. Denn Höcketstaller schreibt brav, platt und eindimensional vom gemeinen Hausmeister oder den Freuden des verlassenen Mannes, manchmal rumpelt's sogar noch im Metrum. Und aus "Hotel California" von den Eagles machen die Fünf eine Hommage an den Hinterdupfinger Dorfwirt, den Schweinsbraten und das Schafkopfen, aus Marleys "I Shot The Sheriff" das Lied eines Faschingsmuffels. Die etwa 130 Zuhörer schien das nicht zu stören. Bombenstimmung, viel Applaus.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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