Berg:Plauderrunde unter Freunden

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Diskutieren (v. l.): Anton Hunger, Alexander Filipovic, Angela Maier, Ulrich Brenner und Richard Gaul. (Foto: Arlet Ulfers)

Kommunikations-Experten diskutieren bei den "BergSpektiven" über Medien

Von Ute Pröttel, Berg

Er hat ein Händchen für aktuelle Themen, und es gelingt ihm seit vielen Jahren, Menschen als Gesprächspartner zu gewinnen, die hübsch aus dem Nähkästchen plaudern. Diesmal hat Christian Kalinke, Berger MTV-Fußballchef, fünf Medienprofis eingeladen, um in seinem "Klub der 100" zu diskutieren. Das Thema: "Warum es sich selten lohnt, mit den Medien zu tanzen?"

Die Runde ist ausgewogen besetzt, zwei Kommunikationsprofis aus der Industrie, eine Wirtschafts-Journalistin, der ehemalige Leiter der Deutschen Journalistenschule München und der Medien-Ethiker Professor Alexander Filipovic. Er ist der einzige in Deutschland und sein Lehrstuhl ist an der Jesuitenhochschule für Philosophie in München. Keiner hat sich bei mehr als 30 Grad hitzefrei genommen, ganz im Gegenteil: Richard Gaul, Kommunikationsexperte mit Karrierestationen bei Die Zeit, BMW und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), kommt extra aus Potsdam. Zwar verspätet er sich 40 Minuten, was jedoch seiner Fröhlichkeit keinen Abbruch tut. Mit seiner Ankunft ist die Runde perfekt und der Zuschauer - etwa 50 Zuhörer sind ins Hotel Schloss Berg gekommen - hat den Eindruck einer Plauderrunde unter Freunden beizuwohnen. Zwei Stunden lang stehen die Experten Rede und Antwort. Das Thema hat es in sich: Wie objektiv können Journalisten noch sein? Sind sie wirklich nur noch "Schreibknechte", die Themen skandalisieren müssen, weil nur das beim Leser ankommt? Wer lanciert Geschichten und inszeniert Bilder?

In welchem Maße Journalismus und Wirtschaft verzahnt sind, wird klar, wenn Ulrich Brenner erzählt. Ihm gelang es erst, die Deutsche Journalistenschule München auf finanziell sichere Füße zu stellen, nachdem er außer den großen Verlagen auch Sponsoren aus der Wirtschaft mit ins Boot nahm. Richard Gaul, ehemaliger BMW-Pressesprecher, war damals einer der Geldgeber. "Für Unternehmen sind schlechte Journalisten das Schlimmste", führt der vom Journalisten zum PR-Chef gewandelte Kommunikationsprofi aus. Schuld am Dilemma der Presse tragen für ihn ganz wesentlich die Verleger. Sie haben in guten Zeiten zweistellige Renditen eingefahren, es aber versäumt, in ihre Produkte, sprich Zeitungen, Zeitschriften und Redaktionen, zu investieren. Heute sparen sie am falschen Ende.

Objektivität sei eine Illusion, auch darüber ist sich die Runde einig. In den Printmedien ist sie noch am ehesten gewährleistet, doch immer weniger Leser wollen dafür bezahlen. Angela Maier, Redakteurin beim Manager Magazin, sieht ebenfalls die Verlagsmanager in der Pflicht. Qualitätsjournalismus werde in Zukunft nur mit modernen Geschäftsmodelle überleben können. Dazu könnte etwa auch ein maßgeschneidertes Digital-Angebot gehören, das einem fußballbegeisterten Leser zuerst den Sportteil anbietet, dann die Kultur mit aktuellen Konzertkritiken und den Wirtschaftsteil und die Politik eben erst im Nachgang.

Was also tun, um ausgewogen informiert zu werden? Toni Hunger, Ex-Pressechef von Porsche: "Den Blick in die Welt kann man sich mit nur einer Zeitung versperren." Sein Rat: Mehrere Zeitungen lesen. Angela Maier kontert: "Eine Zeitung ist besser als keine." Gaul: "Im Netz ist alles noch 100 Mal schlimmer." Was folgt sind Anekdoten über Angela Merkel, TV-Koch Alfons Schubeck oder die Enkel reicher Verleger.

Bemerkenswert ist immer wieder, mit welcher Leichtigkeit Moderator Christian Kalinke durch den Abend führt. Deutlich wird: Dahinter steckt gewissenhafte Vorbereitung auf die Gäste, gute Kontakte und schlaue Fragen. Wie es ihm allerdings gelingt, etwa Richard Gaul von Potsdam nach Berg zu locken, bleibt sein Geheimnis. Er jedenfalls versteht ihn, den Tanz mit den Medien.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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