Autorenporträt:Der Ex-Richter und sein Kommissar

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"Diesmal bin ich in die Vollen gegangen": Krimiautor Günter Reiß zuhause in Niederpöcking. (Foto: Arlet Ulfers)

Günter Reiß aus Niederpöcking lässt es in seinem sechsten Starnberg-Krimi gehörig krachen

Von Gerhard Summer, Pöcking

Die Szenarien sind hochdramatisch, die Namen einiger Figuren eher plump. Ein mutmaßlich obskurer Enthüllungsjournalist heißt Kevin Finsterer, ein berühmter Krimiautor Oskar Maria Grande und ein selbstredend steinharter Staatssekretär Steinhart. Dafür dreht sich "Seemafia" laut Verlag um einen "groß angelegten Fall von Kunstfälschungen und Kunstraub, der bis in die Nazi-Zeit zurückreicht". "Geheimnis am See" wiederum ist die Geschichte eines weltweiten Genmanipulationsskandals. Und in dem Thriller "In der Mitte des Tages" haut der einstige Starnberger Amtsrichter Günter Reiß dann so richtig auf die Pauke.

Das geht so: Erst gibt es ein Selbstmordattentat auf dem Münchner Viktualienmarkt mit vielen Toten und Verletzten, danach fliegt das Gipfelkreuz der Zugspitze in die Luft, und schließlich schmiedet der russische Oberst Maximow auch noch einen "teuflischen Plan". Showdown ist auf dem Starnberger Friedhof am Schlossberg, von dort aus soll ein Ausflugsdampfer, auf dem die CSU tagt, mit Raketen beschossen werden.

Ja, das klingt reißerisch, im Endeffekt darf der Leser froh sein, dass Kommissar Maximilian Wagner zur rechten Zeit am rechten Ort ist. Günther Reiß gibt selbst zu: "Diesmal bin ich in die Vollen gegangen, aber man muss auch mal so was machen". Das sechste Buch des 78-Jährigen aus Niederpöcking soll im Februar auf den Markt kommen. Vermutlich wird es kein Beben in der papierenen Landschaft der Regionalkrimis auslösen, schon weil Reiß als Schreiber über flache Wasser rudert. Aber bemerkenswert ist das allemal: dass es ein Mann, der sich am Amtsgericht mit trockener Materie plagen musste, nun im Alter gehörig krachen lässt. In seiner Anfangszeit in Starnberg hatte Reiß noch eine Spielhölle in Obermühltal ausgehoben und einem berühmten Schauspieler den Führerschein abgenommen. Aber die folgenden drei Jahrzehnte schlug er sich dann mehr oder minder unbeachtet mit Mietstreitigkeiten, unbezahlten Handwerkerrechnungen und Schadensersatzansprüchen nach Autounfällen herum. Nun, im Ruhestand, greift er nach den blutigen Stoffen, beackert Skandale und dreht die großen Themen durch den Wolf. Er gehe dabei nach der "Methode Karl May" vor, sagt Reiß: Wie der Erfinder von Winnetou und Old Shatterhand halte er sich nicht groß mit Recherche auf, zumal er im Landkreis Starnberg jeden Winkel kenne, und gebrauche einzig seine Fantasie. Ob es in seinen Krimis um die Amtsgeschäfte des bayerischen Ministerpräsidenten geht oder um die Vergnügungen der Starnberger High-Society - alles ist frei erfunden.

Reiß' Karriere als Autor hatte mit einem Weihnachtsgeschenk begonnen. 2004, nach seiner Pensionierung, war er auf die Idee gekommen, für seine Frau ein Buch zu schreiben, er bediente sich dabei ein wenig bei Heinrich von Kleists Stück "Der zerbrochene Krug". Ein Lustspiel, das davon erzählt, wie ein Amtsrichter "wegen Kleinigkeiten aus dem Amt gejagt wird", so die Interpretation von Reiß. Seine Frau fand das Buch "gut", wenn auch "ein bissl kitschig". Und weil ihr Mann, der in der Oberpfalz aufgewachsen ist und in Köln Abitur gemacht hat, als ehemaliger Leistungssportler einen "gewissen Ehrgeiz" entwickelte, versuchte er, das Präsent zu vermarkten. Reiß schrieb 13 Verlage an, zwölf sagten ab, einer, der Schardt-Verlag, brachte "Verspielte Träume" schließlich 2011 heraus.

Was den Ex-Richter am Schreiben befriedigt, ist der Umstand, dass der Tagesablauf auf diese Weise Struktur bekommt. Verdient sei mit den Krimis wenig. Die Auflage liegt jeweils bei 1000 Stück, "das ist auch nie mehr geworden, man hat eben keinen Namen". Der Autor muss sich mit einem niedrigen vierstelligen Betrag an den Produktionskosten beteiligen. Dafür bekommt er pro Buch zehn Prozent der Einnahmen. "Ich möchte mein Geld nicht damit verdienen, da müsste mich meine Frau ernähren", sagt Reiß. Sein Verlag ordnet seine Geschichten gern in der Schublade Regionalkrimi ein, genauer noch: Starnberg-Krimi. Was dem 78-Jährigen nicht so recht ist. Klar, zum Teil spielten seine Geschichte am Starnberger See, "aber die Thematik ist mehr allgemeingültig", findet er.

Als Richter war Reiß "relativ milde", als Leser ist er es nicht. Das Wort "Mist" fällt öfters, wenn er über Bücher anderer Autoren redet. Immerhin, Dürrenmatt und Dennis Lehane findet er toll, Fritz Ani "schreibt ganz ordentlich", Martin Suter ebenfalls, "wird aber überschätzt". Wo er sich selbst einordnen würde? Günter Reiß gibt eine diplomatische Antwort: "Schwer zu sagen, mein Bestreben ist es, einen eigenen Weg zu gehen".

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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