Andechs:Zeichen für Zivilcourage

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Der Gemeinderat entscheidet über eine Stele, die an das unerschrockene Engagement von Machtlfinger Bürgern für den Widerstandskämpfer Albrecht Haushofer erinnert

Von Ute Pröttel, Andechs

Wie gründlich Diktatoren mit Regimegegner aufräumen, hören wir beinahe täglich. In Syrien und der Türkei wird mit Kritikern und Oppositionellen kurzer Prozess gemacht. Wer für demokratische Werte einsteht, zahlt dies meist mit Jobverlust und nicht selten mit Gefängnis, Folter und Tod. Geschichte wiederholt sich. Das ist heute traurige Realität. Wie viel ist unserer demokratischen Ordnung ein Zeichen gegen das Vergessen wert?

Der Andechser Gemeinderat berät am Dienstagabend über die Aufstellung einer Stele in Machtlfing, die die Bürger des Dorfes ehrt und daran erinnert wie sie im Kriegssommer 1944 zusammenstanden, um den Widerstandskämpfer Albrecht Haushofer (1903-1945) vor der Verhaftung durch die Nationalsozialisten zu bewahren. 16 500 Euro soll das Kunstwerk in Bronze kosten. Die Gemeinde gewährt einen Zuschuss und möchte den Rest der Kosten über Spenden finanzieren.

Albrecht Haushofer stammte vom nahe gelegenen Hartschimmelhof. Unter der Protektion von Rudolf Hess, einem engen Freund der Familie macht Haushofer als Professor für politische Geographie und Geopolitik in Berlin Karriere. Doch je näher er in das Zentrum der NS-Macht rückt, desto entschiedener sein Widerstand. Als das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 misslingt, muss auch Haushofer sich verbergen, obwohl er nicht direkt daran beteiligt war. Seine Verbindungen zu den bekannten Widerstandskreisen waren zu eng.

Anstatt sich in die Schweiz abzusetzen, flieht Haushofer in die Heimat, findet erst Unterschlupf im Klostergut Kerschlach. Als es dort für ihn zu gefährlich wird, erklärt sich der junge Arzt Martin Otto, der im Lazarett des Klosters arbeitet bereit, Haushofer bei sich zu verstecken. Sowohl die Oberin des Klostergutes Symphorosa Kohler als auch Martin Otto werden ihren Mut teuer bezahlen. Der Arzt Otto wohnte mit seiner Frau Elisabeth und seinem Vater Franz Otto einem 1936 in Schlesien aus politischen Gründen zwangspensionierten Lehrer in Machtlfing. Franz Otto lebt vom Orgelspiel in Kloster Andechs und Machtlfing und leitet zusammen mit seiner Schwiegertochter den örtlichen Kirchenchor. Zusammen mit dem Dorfpfarrer Enzensberger bildet sich wohl aus dem Kirchenchor heraus ein Netzwerk, das Albrecht Haushofer in wechselnden Verstecken, entweder in Privatwohnungen, aber auch auf dem Kirchturm und in einem nahe gelegenen Stadel versorgt. Sieben Wochen lang gelingt das Katz-und-Mausspiel mit der Gestapo.

Am 18. September 1944 durchkämmt ein SS-Kommando das Dorf. Die Soldaten müssen einen Hinweis bekommen haben, durchsuchen aber den falschen Stadel. Haushofer entkommt. Die Familie Otto und Schwester Symphorosa werden verhaftet. Sie werden zuerst ins Gefängnis nach Weilheim gebracht. Martin Otto von dort ins KZ Dachau, Schwester Symphorosa und Elisabeth Otto werden in die Gestapozentrale nach München überstellt. Dort müssen sie Einzelhaft und Verhöre über sich ergehen lassen. Auch der Dorfpfarrer verschwindet an diesem Tag. In der Machtlfinger Chronik ist er als verstorben vermerkt. Zeitzeugen wissen aber, dass er sich über den Lech nach Westen abgesetzt hatte. Unter den Kirchenchormitgliedern dürfte in dieser Zeit die blanke Angst grassiert haben. Otto wird erst im April 1945 aus dem KZ entlassen. Bei der Heimkehr ist er von Tuberkulose und Flecktyphus so geschwächt, das er auf einem Leiterwagen transportiert werden muss. Seine Frau erkennt er nicht mehr. Er ist ein körperlich und seelisch gebrochener Mensch.

Bei der Vorstellung des Projektes vor zwei Monaten in Machtlfing sagte der ehemalige Andechser Gemeinderat Walter Galli, die Stele sei ein wichtiges Zeichen für Zivilcourage. Und diese ist zu jeder Zeit wichtig.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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