Andechs:Orff aus dem Off

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Kammermusiker zeigen bei den Festspielen, wie viel vom Stil des Meisters in der Musikgeschichte steckt

Von Reinhard Palmer, Andechs

Es ist schon ein großes Glück, unter 600 Bewerbern ausgewählt zu werden. 60 Studenten haben es geschafft, Mitglieder der Orff-Akademie zu werden und von Instrumentalisten des Rundfunkorchesters betreut zu werden. Das Ziel: Mitwirkung im Orchester der Carl-Orff-Festspiele Andechs. Der Weg: Kammermusik aus mehreren Jahrhunderten. Wie eher wenige andere Komponisten seiner Zeit setzte Orff auf eine Erneuerung der Musik aus der Tradition heraus. Christian von Gehren, musikalischer Leiter der Orff-Akademie wie des Festspielorchesters, griff diese stilistische Offenheit seit Beginn seiner Tätigkeit in Andechs bewusst und im Sinne der Orff-Stiftung auf, um möglichst viele Zugänge zur Musik des Komponisten zu öffnen. Und auch bei diesen letzten Orff- Festspiele in Andechs traten die Akademisten - fortgeschrittene Instrumentalstudenten aus 24 Ländern - in gewisser Weise den Beweis an, dass Elemente dieser Musik schon seit Jahrhunderten vorgebildet waren und bei Orff erst zu einem neuen Kontext fanden. Und manchmal glaubte man auch das Gegenteil: Orff steckt in fast allen Epochen der Musikgeschichte.

Am deutlichsten wurde diese Beziehung im Kammermusikkonzert im Fürstentrakt des Klosters sowie in der Wallfahrtskirche durch die Atmosphäre und spezifische Farbgebung der Stücke spürbar. Es überraschte auch nicht, dass die Verwandtschaft in Werken für Blechbläser, insbesondere die tiefen, deutlich zutage trat. So bei Giovanni Gabrieli, der in seiner Sonata pian e forte eine bemerkenswerte Plastizität der Klangsubstanz an die Hand gab, die sich in den feinsinnigen Rücknahmen ausbreitete, in den kontrastierenden Öffnungen indes hymnische Weiten entwickelte, nicht ohne mit schmetterndem Blech zu beeindrucken. In der Canzone septimi toni No. 2 kam zudem eine beschwingte Rhythmisierung hinzu.

Die drei Parameter - Klangsinnlichkeit, wirkungsvolle Entwicklungen und Rhythmus-Power -, die sich in diesem Kammerkonzert immer wieder gegenseitig bedingten, befruchteten und zu effektvoller Wirkung führten, waren auch Orffs große Themen gewesen. Selbst in Schuberts Fantasie f-Moll für Klavier zu vier Händen machte sich dieser orchestrale Anspruch bemerkbar. Ausgeprägt im Sich-Aufbäumen in den Höhepunkten, andererseits im spannungsgeladenen Hauptmotiv in straffer Rhythmik.

Letzteres ist das ureigenes Motiv der Orffschen Musik. Und wie alle Jahre wieder weckten die Schlagwerker der Akademie gesteigertes Interesse bei den zahlreichen Zuhörern. In "Music for Pieces of Wood", einer minimalistisch-strukturellen Komposition für Claves (in verschiedenen Tonlagen gestimmte Hölzer) von Steve Reich, machte ein Schlagwerkquintett das Prinzip sichtbar: Ein zentraler Grundschlag wird durch Schlagverschiebungen Bestandteil eines sich unentwegt wandelnden Rhythmus. Experimentelles im Schlagwerk findet generell viel Zuspruch, so auch das klanglich vielfältige Trommeln mit den Bamboo Sticks auf Umzugskartons "Boxing Day" des Österreichers Wolfgang Reifeneder (1960 geboren).

Reichste Farbigkeit war in der Bläseroktett-Partita F-Dur op. 57 des Tschechen Franz Krommer zu erleben, die von der akustischen Tragweite des Raumes der Wallfahrtskirche profitierte. Den unkonventionellen Stil zwischen dem galanten 18. Jahrhundert und der romantischen Tonsprache des Beethoven-Konkurrenten in Wien nutzten die Akademisten in Harmoniemusikbesetzung zur sinnenfreudigen Rhapsodik - von kapriziös pointierter Rhythmik über lyrisches Arioso bis hin zum ausgelassenen Fest im Schlusssatz.

Bedauerlich nur, dass man dem Programmzettel nicht entnehmen konnte, wer die jungen Musiker nun namentlich waren.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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