Andechs:´Für uns läuft es`

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Barbara Scheitz, Geschäftsführerin der Andechser Molkerei Scheitz, freut sich über die modernen Produktionsabläufe in dem Familienunternehmen.

Interview von Ute Pröttel, Andechs

Den Umbau der Andechser Molkerei dirigierte Barbara Scheitz 17 Jahre lang aus einem Containerbüro. Mit dem Aufstieg zu Europas größter Biomolkerei war auch eine umfassende Umstrukturierung des Betriebsgeländes notwendig. Dazwischen galt es noch Grabenkämpfe mit dem benachbarten Kloster um den Markennamen Andechs auszufechten. Mittlerweile leitet die 52-Jährige das erfolgreiche Familienunternehmen aus ihrem neuen Büro. Sie residiert hoch über der Auslieferungshalle des neuen vollautomatischen Hochregallagers in lichtdurchfluteten Räumen, die von der Architektur des Künstlers Friedensreich Hundertwasser inspiriert sind. Dass der Weg dorthin in den vergangenen Jahren nicht immer so traumhaft war, wie der Blick heute hinaus, davon erzählt sie im Gespräch mit der SZ.

SZ: Seit Oktober 2015 arbeiten Sie in einem Gebäude, das stark an Friedensreich Hundertwasser erinnert. Hatten Sie auch Zeit, die Hundertwasserausstellung in Bernried zu besuchen?

Barbara Scheitz: Die Ausstellung in Bernried habe ich gesehen. Das Museum hat uns im Vorfeld angesprochen und wir waren sogar mit unseren Produkten vor Ort. Mir hat sehr gefallen, wie gut sie das ganze ökologische Bewusstsein, das Friedensreich Hundertwasser mit in die Kunst gebracht hat, abgebildet hat. Hundertwasser vertritt ja eine ökologisch orientierte Baukunst. Er geht von außen nach innen. Eine große Herausforderung bei unserem Umbau war die Oberflächenentwässerung. Wir haben heute überall begrünte Dächer und dadurch ein sehr gutes Raumklima und optimale Wasserspeicherung. Durch die extensive Begrünung wird CO2 gebunden. Was unsere Bauern auf den Feldern und Wiesen machen, setzen wir hier auf unseren Dachflächen um. Ökologie nach vorne bringen, das geht auch mit Produktionsgebäuden. Wir haben Technik mit Grün verbunden, in unserer Energiezentrale ebenso wie im Hochregallager. Ich denke, dass wir in Zukunft alle so bauen müssen.

Das Sondergebiet "Andechser Molkerei Scheitz im Gemeindeteil Erling" steht immer wieder auf der Tagesordnung des Andechser Bauausschusses. Träumen Sie manchmal vom Bebauungsplan Nr. 22?

Traumhaft war und ist dieser Prozess nicht, das kann ich Ihnen sagen. Er ist ein sehr zeit- und abstimmungsintensiv. Und wir haben viel daran gearbeitet. Aber ich habe heute das Gefühl, dass es gelungen ist, alle dabei zu haben. Die Nachbarn, die Gemeinderäte haben sich intensiv mit den Bedürfnissen eines modernen Molkereibetriebes auseinandergesetzt. Ebenso unsere Milchbauern, denn die Landwirtschaft ist ja einem enormen Wandel unterzogen. Vielleicht hätten wir ohne die Einsprüche anderer zwei Jahre schneller sein können. Aber so haben wir gemeinsam erreicht, dass unser Betrieb heute einen anderen internen Materialfluss hat. Im westlichen Unternehmensbereich wird die Milch angeliefert, im östlichen Teil werden die fertigen Produkte Joghurt und Quark ausgeliefert zu den Kunden. Heute haben wir die Grundvoraussetzung für einen modernen Produktionsbetrieb.

Ist Scheitz nach wie vor die größte Biomolkerei Europas?

In unserem Segment sind wir der Marktführer. Wir haben im vergangenen Jahr 9,4 Millionen Liter Ziegenmilch und 100 Millionen Liter Biokuhmilch verarbeitet. Seit 2009 verarbeiten wir zu 100 Prozent Biomilch. ',Natürliches natürlich belassen!" - das gilt für unsere Bauern, das gilt für unsere Mitarbeiter. Und mit diesem Programm wollen wir weiter erfolgreich sein: wirtschaftlich und gleichzeitig dem Schutz unserer Umwelt.

Barbara Scheitz hat sehr früh auf Biomilch gesetzt und ist damit erfolgreich. (Foto: Arlet Ulfers)

Im vergangenen Jahr führte ein Antrag auf Änderung der Höhe von Lagertanks zu Aufregung im Andechser Gemeinderat. Der erste hohe Tank steht nun. Was wird darin gelagert?

Höhe spart Fläche. Und eigentlich ist der Lagertank ein Produktionstank, denn darin wird künftig Joghurt hergestellt oder es wird Rahm gereift, damit Butter daraus gemacht werden kann. Andere Molkereien haben Tanks in Höhe von 40 oder mindestens 25 Metern. Uns wurde eine Höhe von maximal 20 Metern zugestanden. Die Andechser Molkerei liegt hier mal wieder 25 Prozent unter dem Branchen-Standard, der am Markt üblich ist. Gleichwohl müssen wir als Mittelstandsbetrieb am Markt mithalten, das ist oft schwer. Dennoch sind wir froh, dass jetzt eine Entscheidung getroffen ist, mit der wir wissen, wie wir unser Tanklager erweitern können. Denn der biologische Landbau entwickelt sich rasant. Seit zwei Jahren läuft eine massive Umstellung in der Landwirtschaft auf ökologischen Anbau. Und immer mehr regionale Milchbauern wollen zu uns. Das hat weniger mit Expansion als vielmehr mit der stetig wachsenden Nachfrage nach Bio zu tun. Wir haben in Deutschland immer noch eine Unterversorgung unserer Bevölkerung mit heimischen Bioprodukten. Viel wird aus Österreich oder Dänemark importiert. Erklärtes Ziel der bayerischen Politik ist es, dass unsere Verbraucher ihre Lebensmittel so regional wie möglich beziehen können. Und viele Bauern sind bereit, da mitzugehen. Wir als Molkerei sind als Lebensmittelhersteller Mittler zwischen Produzent und Verbraucher.

Früher konnte die Molkerei noch über den Kerschlacher Weg angefahren werden, dort befindet sich jetzt ein acht Meter hoher Lärmschutzwall . . .

. . . der den Bedürfnissen der Anwohner geschuldet ist.

Gelegentlich steht auch noch ein großer Lkw im sehr schmalen Kerschlacher Weg und muss dann mühsam wieder hinaussetzen.

In Abstimmung mit der Gemeinde werden wir die Beschilderung noch weiter verbessern. Die Zufahrt auf das Gelände ist ja eindeutig geregelt. Es gibt nur einen An- und Abfahrtsweg. Als Lebensmittelproduzent unterliegen wir strengen Richtlinien, dass das Produktionsgelände nicht frei zugänglich sein darf. Das hat auch hygienische Gründe.

Seit drei Jahren wird die Andechser Ortsdurchfahrt saniert. Sind Ihre Fahrer da gelegentlich sauer oder genervt?

Bisher ist mir da nichts zu Ohren gekommen. Für uns läuft es.

In der Laudatio zur Auszeichnung als Unternehmerin des Jahres 2015 wurden Sie als Bilderbuchunternehmerin bezeichnet. Welches sind die Bilderbuchseiten Ihres Jobs?

Wir haben tolle Produkte, ein tolles Team. Diesen Preis habe ich ja für die gesamte Molkerei angenommen. Er drückt Anerkennung für den Betrieb aus.

Und wie läuft es mit dem Kloster?

Ich denke, dass Kloster und Molkerei gut nebeneinander existieren können. Und hoffe, dass wir in Zukunft ein friedliches Miteinander haben.

Gehen Sie gelegentlich in die Kirche?

Nicht hier in Andechs. Die Familie lebt ja in Herrsching. Aber ich bin katholisch, und meine Tochter ist als Ministrantin in der dortigen Gemeinde aktiv. Kirche ist für uns mehr als ein Gebäude - und Gelegenheiten für christliches Denken und Handeln gibt es für uns alle - jederzeit und überall.

Der langwierige Umbau hat sich gelohnt: die Lebensmitteltransporter holen die Ware auf dem modernen Firmengelände ab. (Foto: Arlet Ulfers)

Seit Oktober 2015 ist die Molkerei wieder komplett in Familienhand. Wie sieht der Masterplan für die Zukunft aus?

Wir werden konsequent den ökologischen Weg weitergehen. Ich führe das Unternehmen nun seit 2003. Wir sind ein Familienunternehmen in der vierten Generation, und zur Familie zähle ich alle 200 Angestellten hier in Andechs ebenso wie unsere 630 Biobauern. Viel Wert werden wir auch in Zukunft auf Transparenz legen. Einen Tag der Offenen Türe können wir aus lebensmitteltechnischen Gründen schlecht organisieren, aber dafür haben wir im vergangenen Jahr erstmals einen Naturlauf angeboten, bei dem Interessenten wenigstens das Gelände kennenlernen konnten.

Was halten Sie von Angeboten wie dem Lebensmittelversand hellofresh?

Wir beliefern hellofresh ebenfalls. Es ist eine moderne Vertriebsart, unsere Kunden zu erreichen. Das machen wir natürlich mit, und es bleibt spannend zu beobachten, wie sich dies in Zukunft entwickeln wird.

Wo tanken Sie auf?

In der Firma, natürlich . . . Am Ende eines langen Tages lese ich gerne ein gutes Buch. Und neuerdings habe ich begonnen, Goethe-Gedichte auswendig zu lernen Die ersten drei waren richtig schwer. Wir googeln ja eigentlich lieber als auswendig zu lernen. Aber Goethe-Texte sind einfach wunderschön. Das ist Genuss im Geiste.

Könnten Sie ein Gedicht rezitieren?

Genieße mäßig Füll und Segen, Vernunft sei überall zugegen, wo Leben sich des Lebens freut. Dann ist Vergangenheit beständig, das Künftige voraus lebendig, der Augenblick ist Ewigkeit.

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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