Andechs:"Agnes ist farbig - ein bunter Monet"

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Katharina Kram spielt "Die Bernauerin" bei den Carl-Orff-Festspielen in Andechs. Sie spricht über ihre Zusammenarbeit mit Everding

Gerhard Fischer

AndechsIm Florian-Stadl in Andechs laufen die Proben zu Carl Orffs Musiktheaterstück "Die Bernauerin"; Premiere ist am Freitag, 21. Juni. Darum geht es: Herzog Albrecht verliebt sich in die Baderstochter Agnes Bernauer. Das gefällt vielen nicht, man mokiert sich über den Standesunterschied, und im 15. Jahrhundert werden Konflikte brutal gelöst: Herzog Ernst, der Vater Albrechts, lässt die Bernauerin in der Donau ertränken. Katharina Kram, 32, spielt Agnes Bernauer.

SZ: Sie spielen die Bernauerin bereits zum dritten Mal - 2009 mit Regisseur Hellmuth Matiasek, 2012 und 2013 unter der Regie von Marcus Everding. Unterscheiden sich die Inszenierungen?

Katharina Kram:Ja.

Wie?

Bei der aktuellen Bernauerin liegt der Fokus mehr auf Agnes und Albrecht. Mein Eindruck ist, dass es emotionaler und intensiver ist, irgendwie tragischer, unmittelbarer, direkter.

Können Sie uns ein Beispiel nennen? Eine Szene?

Im ersten Bild zeigt die alte Bernauerin auf einen Waschzuber und sagt zu Albrecht: Wollt Ihr nicht baden? Aber Albrecht reagiert gar nicht, er schaut nur verliebt die Agnes an. Sehr ergreifend ist auch die Schlussszene, als die Bernauerin tot ist und Albrecht brüllt: 'Wo ist die Bernauerin?' Er ist so tief verzweifelt, dass seine Liebe weg ist. Im letzten Jahr haben viele Leute bei dieser Szene geweint. Für mich ganz persönlich ist es allerdings in irgendeiner Form ein Happy End: Sie ist ja noch da, sie beobachtet ihn, wacht über ihn. Über der Bühne haben sie extra für die Bernauerin einen Steg errichtet, auf dem ich mich nach meinem Tod bewegen kann. Von dort oben passe ich auf Albrecht auf.

Was ist das Schöne an der Rolle - und was das Schwierige?

Das Schöne ist, dass ich mit einem Orchester zusammenarbeiten darf. Für mich ist Orffs Musik faszinierend. Das Schwierige: Agnes hat nicht viele Mittel, sich auszudrücken. Im ersten Teil spricht sie ja nur eine Handvoll Sätze. In andere Rollen kann man sich auf der Bühne hineinarbeiten, hier muss es auf den Punkt stimmen. Zum Beispiel bekommt Agnes von Albrecht einen Ring und sie sagt: 'Oh, is der schwer.' Das Problem der ganzen Beziehung liegt in diesem Satz! Dementsprechend muss er sitzen.

Sie spielen die Agnes trotzdem gerne?

Wahnsinnig gerne! Es ist ein tolles Team, Florian Fisch ist ein toller Albrecht, Marcus Everding ein toller Regisseur, es ist eine aufregende Bühne, und der Heilige Berg in Andechs hat schon eine besondere Kraft. Für mich ist das auch immer eine schöne Ausnahmesituation. Ich bin ja sonst fest am Landestheater Niederbayern in Landshut engagiert - und einmal im Jahr komme ich für ein paar Wochen nach Andechs und hier hat man nur das Stück. Ich übernachte hier, ich esse hier, ich kann hier nichts anderes machen. Man ist gezwungen zu entschleunigen. Ich bin in Landshut fest engagiert und Andechs ist für mich das Sahnehäubchen oben drauf.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Everding?

Wir müssen nicht viel sagen und verstehen uns trotzdem. Einmal sagte er: "Katharina, keinen Schwarzweiß-Film spielen!"

Wie ist das: einen Schwarzweiß-Film spielen?

(Katharina Kram schürzt die Lippen, schaut entrückt). Getragen ist das. Aber die Bernauerin ist nicht getragen, sondern farbig, ein bunter Monet ist sie. Ein junges Mädchen, voll im Saft, sehr lebensfroh, aber nicht lebensfremd.

Wie ist es eigentlich mit der Sprache? Sie sprechen auf der Bühne das Bayrisch des 15. Jahrhunderts?

Orff hat ein Kunstbairisch entwickelt - mit sehr vielen Wortneuschöpfungen.

Versteht man das als Bayer? Oder sogar als Hamburger?

Einmal sagt die Agnes zur Magd: Schmalbackert schaugst aus. Das heißt: eingefallene Wangen, sorgenvoll. Ich denke, Bayern können es sehr gut verstehen, für Hamburger erschließt es sich.

Sie selbst sind im Bayerischen Wald aufgewachsen. Wann entschlossen Sie sich, Schauspielerin zu werden?

Als ich ein Kind war, wollte ich zum Zirkus. Als ich dann auf dem Gymnasium war, kam die Sprache dazu - also Schauspielerei. Ich habe nach dem Abitur Germanistik, Anglistik und Theaterwissenschaften studiert und Aufnahmeprüfungen an Schauspielschulen gemacht.

Sie gingen dann nach Wien, ans Konservatorium.

Ja, dort gibt es immer 600 bis 800 Bewerber, nur zwölf werden genommen, zwei landen auf der Warteliste. Ich war bei meiner ersten Aufnahmeprüfung Nummer 13. Aber ich habe Elfriede Ott gefragt, ob ich in ihrer Klasse mitmachen darf . . .

. . . die Schauspielerin Elfriede Ott.

Ja, sie lehrte damals am Konservatorium. Sie sagte ja. Ich habe da viel über Improvisation gelernt, und sie hat uns in die Theaterwelt eingeführt - mit vielen Geschichten. Und sie hat gesagt, wir sollen ins Theater gehen. In meinem ersten Jahr habe ich 60 Vorstellungen besucht, die Karten habe ich in ein Heft eingeklebt und meine Empfindungen dazu notiert. Im zweiten Jahr habe ich die Aufnahmeprüfung dann geschafft und ordentlich studiert. Zu Elfriede Ott gibt es noch eine schöne Geschichte: Mein Opa, der in Wien lebte, ist immer von Hütteldorf (ein Stadtteil im Westen der Stadt, Anm. d. Red.) ans Burgtheater gegangen, um Ott zu sehen. Er hatte nicht das Geld für Fahrkarte und Theaterkarte - also ist er den weiten Weg zu Fuß gegangen.

© SZ vom 06.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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