Stadtplanung in München:Vorfahrt für Fußgänger

Stadtplanung in München: Nach den Plänen von Benjamin David (4. v.l.) und seiner Mitstreiter könnte auch Steinsdorfstraße an der Isar zur Fußgängerzone werden.

Nach den Plänen von Benjamin David (4. v.l.) und seiner Mitstreiter könnte auch Steinsdorfstraße an der Isar zur Fußgängerzone werden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Plätze für Menschen und ein Freibad mitten in der Innenstadt: Ein Bündnis aus Stadtplanern, Kulturschaffenden und Vereinen will den öffentlichen Raum in München völlig neu gestalten - und dafür auch Straßen sperren.

Von Thomas Anlauf

In den vergangenen drei Jahren sind etwa 90 000 Menschen nach München gezogen. Und der Trend setzt sich fort: Bis 2030 rechnen Experten mit einer Zunahme der Bevölkerung um mehr als 200 000 Menschen. Angesichts der dramatischen Zahlen fordert nun ein Bündnis aus Stadtplanern, Politikern, Kulturschaffenden und Münchner Vereinen, die Nutzung des öffentlichen Raums in München radikal neu zu definieren.

Auf einer dreitägigen Tagung in Tutzing haben am Wochenende 120 Teilnehmer eine "Tutzinger Erklärung" erarbeitet. Eine zentrale Forderung darin ist ein Stadtentwicklungsplan für den öffentlichen Raum, in dem ein besonderer Schwerpunkt auf Fußgänger gesetzt wird.

Die eng gezogene Stadtgrenze hat zur Folge, dass nur noch Platz für etwa 50 000 neue Wohnungen vorhanden ist. Im vergangenen Sommer hat das Planungsreferat deshalb das Projekt "Langfristige Siedlungsentwicklung" (Lasie) auf den Weg gebracht. Darin soll untersucht werden, wo und wie bis 2030 mehr als 120 000 Wohnungen in der Stadt gebaut werden könnten. Die "Tutzinger Erklärung" soll nun das Projekt flankieren, fordern die Verfasser des Papiers.

750 Münchner Kreuzungen sollen untersucht werden

In den kommenden Jahren werden neue Viertel wie Freiham und im Münchner Nordosten entstehen, in vielen Siedlungen wird nachträglich verdichtet, in der Innenstadt müssen bestehende Häuser aufgestockt werden, so viel ist sicher. Parallel dazu soll nach Ansicht der Tagungsteilnehmer auch ein Diskurs über den Wert des öffentlichen Raums geführt werden. So könnten nicht mehr benötigte Verkehrsflächen in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden. Benjamin David von den Urbanauten, die die Tagung gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Tutzing organisiert haben, könnte sich zum Beispiel einen Rückbau der Ifflandstraße zwischen Tucherpark und Isar vorstellen.

Auch der Isartorplatz, der Ratzinger Platz im Münchner Süden oder die Isarparallele könnten so umgebaut werden, dass dort Wohnungen oder Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen, heißt es in den Forderungen. In einer stadtweiten Studie sollen zudem 750 Münchner Kreuzungen untersucht werden, ob sie zu Stadtplätzen umgebaut oder dort Wohnhäuser errichtet werden können.

Ein besonderes Augenmerk richtet die "Tutzinger Erklärung" auf die innerstädtische Isar: So sollte die stark befahrene Erhardtstraße zunächst mehrmals im Jahr temporär für den Verkehr gesperrt werden. "Ziel ist es aber, den Raum generell vom Durchgangsverkehr zu befreien", sagte der Journalist Michael Ruhland, der die Tagung moderierte. Ähnlich wie es der städtische Workshop zum Rahmenplan "Innerstädtischer Isarraum" vorsieht, soll die Flusslandschaft zwischen Maximiliansbrücke und Corneliusbrücke vor allem für Fußgänger attraktiver werden. Cafés, Ruhezonen und sogar ein Freibad und Schiff am Deutschen Museum sind geplant.

Nallinger wünscht sich einen großen Stadtentwicklungsplan

In einer ersten Reaktion begrüßte die Oberbürgermeister-Kandidatin der Grünen, Sabine Nallinger, die Tutzinger Erklärung. "1963 gab es den letzten Stadtentwicklungsplan, jetzt gilt es, wieder so einen großen Plan zu schreiben", sagte Nallinger am Sonntag der SZ. Man müsse München nun von einer "auto- zu einer menschengerechten Stadt" entwickeln. Der OB-Kandidat von der CSU, Josef Schmid, hingegen glaubt, es brauche "keinen groß angelegten Plan". Auch er will, dass der öffentliche Raum mehr für die Menschen da ist, allerdings will Schmid das dadurch erreichen, indem möglichst viel Verkehr unter die Erde verlegt wird - etwa durch den Bau neuer U-Bahnlinien und die Untertunnelung des Mittleren Rings.

Michael Mattar (FDP) fordert eine Aufwertung vieler Plätze "in den meisten Stadtbezirken". Er befürwortet es, die innerstädtische Isar besser an die Stadt anzubinden und fußgängerfreundlich zu gestalten. Eine komplette Sperrung der Isarparallele hält er für "sehr fragwürdig". Am 13. Februar debattieren die OB-Kandidaten in einer Podiumsdiskussion über die "Tutzinger Erklärung".

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